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Incedunt victae longo ordine gentes,
Indomitique Dahae et pontem indignatus Araxes.[1]

(Äneis. VIII. 729.)

Und Propertius:

Potabis galea fessua Araxis aquam.[2]

(III. II. 8.)

Der Volksmund verlegt diese Brücke, deren Erbauung er dem Augustus zuschreibt, vielleicht mit Recht nach Eski-Dschulfa. Später hat die Brücke all die großen asiatischen Eroberer gesehen. Timur überschritt sie mit seinen Horden, Abbas der Große zerstörte sie.

Auf dem russischen Ufer setzt sich der Posten von Dschulfa oder Dschulf, wie die Russen stets schreiben, aus einigen Zollgebäuden und einer Kosakenkaserne zusammen. Der persische Posten von Dschulfa auf dem andern Ufer zeigt ungefähr dasselbe Aussehen. Der Khan oder das Hôtel daselbst ist aber himmelweit von den russischen Posthäusern verschieden. Es enthält einige Zimmer, die mit herrlichen Teppichen geschmückt sind, stellt aber auch in Bezug auf Preise andere Forderungen.

Der persische Zollbeamte war außerordentlich höflich. Mit unserm Empfehlungsschreiben von Nazar-Aga[3], dem persischen Gesandten in Paris, machten wir dem obersten Zollbeamten einen Besuch, der uns sehr zuvorkommend empfing und uns in feierlicher Rede im Namen Seiner Majestät des Schah von allen Abgaben entband.

Den köstlichen Abend brachten wir auf der Terrasse des Khans zu.

Wir genossen das angenehme Gefühl, von dieser beunruhigenden Polizeiaufsicht befreit zu sein und trösteten uns über unser Mißgeschick durch sehr wenig liebenswürdige Betrachtungen über die Russen, die uns von der andern Seite des Flusses her noch betrachteten.

Der Untergang der Sonne war feenhaft. Vor uns entfalteten sich die Ketten des Karabagh mit ihren fremdartigen Einschnitten, auf dem rechten Ufer des Aras der Nischam.

Die nackten Ausläufer dieser Gebirge, die einen vulkanischer Natur, die andern aus blutrotem Sandstein bestehend, bieten schon während des Tages die lebhaftesten

  1. Es ziehen einher in langer Reihe die besiegten Völker und die unbesiegten Dahäer und der Brückenzertrümmerer Araxes.
  2. „Müde wirst du aus dem Helme trinken das Wasser des Arares.“
  3. Einer meiner Freunde, der persönlich mit Nazar-Agar bekannt war, hatte mir das Empfehlungsschreiben verschafft. Dieses amtliche Dokument ist sehr interessant. Es ist in persischer Schrift, also von rechts nach links geschrieben, hat rechts einen breiten Rand und nimmt eine Seite ein. Das Siegel, das die Unterschrift beglaubigt, findet sich nicht auf der ersten Seite, sondern auf der zweiten Seite rechts unten. Chardin erklärt dieses als eine Höflichkeitsbezeigung folgendermaßen: „Die vierte Höflichkeitsbezeigung, auf welche sie achten, besteht in der Anbringung des Siegels, welches die Unterschrift beglaubigt. Die tiefe Ehrfurcht verlangt, daß das Siegel (oder die Unterschrift) auf der Rückseite des Briefes unten angebracht werde und zwar in einer Ecke derart, daß nicht das Ganze, sondern bloß ein Teil auf dem Papier steht. Das bedeutet: Ich bin nicht wert, vor Dir zu erscheinen. Aus Ehrfurcht vor Dir wage ich nicht, mich ganz zu zeigen. Es giebt übrigens drei Plätze, wo man das Siegel anbringt. Bei Gleichstehenden setzt man es rechts unten in die Ecke nach unserer Art; bei Niedrigstehenden setzt der Schreiber das Siegel oben; wenn aber ein Geringer an einen Vornehmen schreibt, befindet sich das Siegel (oder die Unterschrift) auf der Rückseite.“ (Chardin, II. 292.)
Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/79&oldid=- (Version vom 6.11.2018)