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Weise bemerkbar, daß man kaum die erste Triebfeder dieser Organisation erkennen kann.

Die russische Regierung dagegen ist hauptsächlich militärischen Gepräges. Die ganze Sorge erstreckt sich deshalb auch auf die militärische Seite. Die Straßen dienen fast alle strategischen Zwecken, und auch nur solche Straßen werden für wert befunden, unterhalten zu werden. Die Russen unterhalten im Kaukasus ein Heer, dessen Zahl die der europäischen Truppen in Indien bedeutend übersteigt.[1] Der Militäretat kommt in erster Linie bei Rußland in Betracht und verschlingt nicht bloß alle Einkünfte, sondern ruft auch beständig ein Defizit hervor. Unter solchen Umständen ist es eigentlich selbstverständlich, daß Rußland sehr wenig für die Entwickelung thun kann.[2]

Dennoch könnte die Angelegenheit der militärischen Ausgaben nur vorübergehend sein und auf das ganze System nur vorübergehend wirken. Meines Erachtens verhält es sich damit aber folgendermaßen:

Das russische Militärsystem zeigt erstaunliche Resultate, wenn es sich um ein eben erobertes, bis dahin unkultiviertes Land handelt. In diesem Falle bringen die stramme Zucht und die Übereinstimmung in den Befehlen eine gewisse Einheit in die Sache und wirken gleichsam Wunder. Als Beispiel mag die Thätigkeit Rußlands in Transkaspien angeführt werden.

Aber wenn das Land beruhigt und der Zivilisation erschlossen ist, weicht die militärische Verwaltung einer bürgerlichen. Diese ist zwar eine Zivilverwaltung, d. h. dem Namen nach, aber sie atmet den militärischen Geist und militärische Gewohnheiten, zudem ist sie auch bureaukratisch bis zum Exceß. Militarismus in Vereinigung mit Bureaukratismus bewirken eine kleinliche, ungeheuer lästig fallende Verwaltung.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)
  1. Die Russen haben im Kaukasus zu viel Truppen, während die Engländer in Indien zu wenig Soldaten haben.
  2. Nachstehende Zahlen, deren Richtigkeit der Verfasser verbürgen muß, sind E. Reclus, Geograph. VI. S. 299 entnommen: Der Etat von Kaukasien, der 1878 die Summe von 6 750000 Rubeln als Einnahmen enthielt, bildet einen Teil des Generaletats des Kaiserreiches. Transkaukasien mit Daghestan hat einen Etat, der sich von Jahr zu Jahr erhöht. Die Einnahmen betrugen 1870 5 358470 Rubel, 1880 aber 8 784980 Rubel (nach Chabrow, Kavkazskiy-Kalender). Diese Summe müßte bei weitem zur Bestreitung der Ausgaben reichen, wenn die Unterhaltung einer so bedeutenden Armee in den Grenzorten nicht das Doppelte und in wenigen Jahren nicht das Vierfache der Kosten verursachte und so das Defizit vermehrte. Dieses Defizit, das in Friedenszeiten zwischen 18 und 20 Millionen Rubeln schwankt, steigt in Kriegszeiten zu der Höhe von 57 Millionen. In den zehn Jahren von 1869 bis 1878 betrug die Gesamtsumme des Defizit nicht weniger als 343 131005 Rubel. In ganz Transkaukasien beträgt die Gesamtsumme der Ausgaben, sei es für Entwickelung des Landes, Unterricht, Erbauung von Straßen, Unterhaltung der Wälder oder Ansiedelung von Kolonisten kaum 1 800000 Rubel, wenigstens im Jahre 1881. Seit dieser Zeit mag es sich etwas geändert haben.
    Summe der Einnahmen in Kaukasien 1878: 16 339703 Rubel
    Ausgaben: 71 660325 Rubel
    Defizit: 55 320662 Rubel.