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ist dieses Plätzchen nicht schön? — Begeisternd wirkte es auf mich, und hier entstand nachstebendes Gedicht, das ich gelassen habe, wie der Augenblick es erschuf, um durch etwanige Verbesserungen nicht die damalige eigene Stimmung, die es nachspricht, zu zerstören:

Wo zarter Blumen frisches Leben
Auf dieses Eilands Scheitel glüht,
In hohen, dichten Laubgeweben
Ein süsser Duft vorüber zieht;

Wo spielend hin zu meinen Füssen
Der Weste Hauch die Welle wiegt,
In Fluthen, die ihn sanft umfliessen,
Der Schwan den stolzen Nacken biegt;

Die Burg, vom Abendschein umglühet,
Mit Flammenglanze ausgeschmückt,
Der hell um jedes Fenster ziehet,
Ihr Bild im Wellenspiegel drückt;

Von holder Gegenwart umfangen,
Wenn feyernd sie die Kränze beut,
Die um der Vorzeit Denkmal hangen,
Sey dieser hier ein Lied geweiht.

Wo sie aus hohem Steingebilde,
Voll Ernst mit stiller Wehmuth, spricht,
Aus tief umnebeltem Gefilde
Der Zeit ein deutend Blümchen bricht.

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/207&oldid=- (Version vom 14.2.2021)