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Plätzchen gegönnt wird, um auch ihr Spiel in gaukelnden Träumen zu feyern. Endlich erscheint der Johannistag mit seinen ihm nachfolgenden beyden jüngern Brüdern, und nun ändert sich einigermaßen die Scene. Die Freuden stellen sich mehr in den Hintergrund und lassen ernsten Geschäften den Vortritt. Mitau hat jezt die höchste Stufe seiner Flut erreicht und sieht wieder der Zeit der Ebbe entgegen. Alle Häuser sind mit Fremden vom Lande, aus Riga und aus den Städten Kurlands besetzt; allenthalben hört und sieht man in den Häusern harte Thaler zählen; eine Menge Bediente laufen mit schweren Geldsäcken über die Straßen, oder fahren dergleichen auf Droschken und Schleifen. Die verschlossenen Kasten der Reichen öffnen sich, um ihren Inhalt den Händen der Ärmern, gegen jährlichen Zins, zu vertrauen. Juden aller Art durchrennen die Straßen und wollen der Noth ein Procentchen, und wohl auch mehrere, abgewinnen, oder bringen ihre Beute hier und da, wo man es am wenigsten erwarten sollte, in Sicherheit. Die Gesichter, die Tages zuvor ein Lächeln der Freude umzog, sind jezt ernst und gespannt;

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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/408&oldid=- (Version vom 12.12.2020)