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Idee fand ich hier dadurch ausgedrückt, daß auf dem Tische, neben einem Todtenkopfe, eine zerbrochene Antinous- Büste lehnte.

Wenn Kraft und Schönheit im höchsten Ideal in ihren Formen zerbrochen sind, dann bleiben die schreckenden Reste des Lebens im nackten Schädel nur noch übrig. Des reizendsten Daseyns gräßliche Unterlage ist immer der Tod, und die Wellenlinien der Schönheit selbst verbergen nur schwach die öden Klippen unter sich, die fürchterlich hervortreten, wenn die leichten Fluthen zerrinnen. Das ungefähr mag das schwermuthsvolle Gefühl desjenigen ausgesprochen haben, der hier die Trümmer des Daseyns mit den Trümmern seines Schmuckes paarte.

Ein Grabmal unweit der Einsiedeley, mit einem einfachen schwarzen Kreuz, und der Inschrift: „Nicht unbeweint von Edlen sey mein Grab“ — erhält die wehmuthsvolle Stimmung auf den dunkeln, einsamen Pfaden bis dahin, wo diese endlich lichter werden und in eine lachende Wiese auslaufen.

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/72&oldid=- (Version vom 12.12.2020)