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Wesen. Nur ein Wesen, das, nachdem ich meinen Zweck auf dasselbe äußerte, den seinigen in Beziehung auf diese Aeußerung ändert, das z. B. Gewalt braucht, wenn ich gegen dasselbe Gewalt brauche, das mir wohlthut, wenn ich ihm wohlthue, nur ein solches Wesen kann ich als vernünftig erkennen. Denn ich kann aus der Wechselwirkung, welche zwischen ihm und mir eingetreten ist, schließen, daß dasselbe eine Vorstellung von meiner Handlungsweise gefaßt, sie seinem eigenen Zwecke angepaßt habe, und nun nach dem Resultate dieser Vergleichung seinen Handlungen durch Freiheit eine andere Richtung gebe. Hier zeigt sich offenbar ein Wechsel zwischen Freiheit und Zweckmäßigkeit, und an diesem Wechsel erkennen wir die Vernunft.


Der Mensch geht also nothwendig darauf aus, Vernunftmäßigkeit außer sich zu finden; er hat einen Trieb dazu, der sich deutlich genug dadurch offenbart, daß der Mensch sogar geneigt ist, leblosen Dingen Leben, und Vernunft zuzuschreiben. Beweise davon finden sich häufig genug in den Mythologieen und den Religionsmeinungen aller Völker u. s. w. Wie wir gesehen haben, ist es der Trieb nach Uebereinstimmung mit sich selbst, welcher den Menschen anleitet, Vernunftmäßigkeit außer sich aufzusuchen.


Eben dieser Trieb mußte in dem Menschen, sobald er wirklich mit Wesen seiner Art in Wechselwirkung getreten war, den Wunsch erzeugen, seine Gedanken dem andern, der sich mit ihm verbunden hatte, auf eine bestimmte Weise andeuten,

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_264.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)