Seite:Von der Sprachfaehigkeit und dem Ursprung der Sprache 265.png

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und dagegen von demselben eine deutliche Mittheilung seiner Gedanken erhalten zu können. Denn ohne diese Auskunft mußte es sich häufig ereignen, daß der eine die Handlung des andern mißverstand, und auf eine Art erwiederte, die ganz gegen die Erwartung des Handelnden war; ein Fall, der den Menschen in offenbaren Widerspruch mit seinen Zwecken versetzte, und folglich geradezu gegen die Uebereinstimmung mit sich selbst stritt, welche er bei der Aufsuchung vernünftiger Wesen beabsichtigte. — Ich meine es vielleicht mit jemand gut, und will ihm mein Wohlwollen durch Handlungen zu erkennen geben. Allein jener deutet diese Handlungen unrichtig, und erwiedert sie durch Feindseligkeiten. Ein solches Betragen muß nothwendig bei mir den Gedanken veranlassen, daß der andre meine Absichten verkenne; und diesem Gedanken muß bald der Wunsch folgen, ihm meine Gesinnungen auf eine weniger zweideutige Art ankündigen zu können.


So wie es mir mit andern geht, so andern mit mir. Wie leicht kann ich die wohlmeinende Handlung eines andern mißverstehen, und mit Undank vergelten? So wie ich aber seine Absicht besser einsehe, so werde ich wünschen mein Vergehen wieder gut zu machen, und um deswillen von seinen Gedanken künftig besser unterrichtet zu sein. — Ich wünsche also, daß der andere meine Absicht wissen möge, damit er mir nicht zuwider handle, und aus gleichem Grunde wünsche ich, die Absichten des andern zu wissen. Daher die Aufgabe zur Erfindung gewisser Zeichen, wodurch wir andern unsere Gedanken mittheilen können.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_265.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)