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Verschiedene: Wünschelruthe


ihn habe. Wie sie nun an die Thür kam, pochte, und den Burschen ansprach, „ihre Mutter say todt“; so drehte er, der müde auf Morgen dem Marsch fest zuschlief, sich im Bette herum; und: „Gut Jungfer“, sagt er, „vergesse Sie nicht das Frühstück bei Zeiten!“ und schläft sanft weiter. So kam sie nun wieder in die Stube zum Vater, und Leid und Kummer senkte sie in die tiefe Nacht des Schlafes.

Und am folgenden Morgen wirbelten Trommeln und Hörner die abmarschierenden Soldaten unter der Linde zusammen; da drückt Wilhelm der Jägerbursch dem Förster die Hand und dankt beim Abschiede dem Mädchen, indem er die Thür öffnet, für gute Herberge und Pflege. Als er nun schnurgerade vor dem Hause vorbeimarschiert, winken sie ihm noch hinter dem Fenster zu, und er blinzet ihnen mit seinen großen Augen ein Wiedersehen hinein. Das Frühgold dieses Morgenroths blieb, und schmückte Haus und Gegend wie einen Christgarten; nur fehlte der bescheerende Tag, da die Mutter, die das Gold und die Freude austheilt, ihn im Leichentuche verschlief. Das ist überhaupt die Trauer, daß sie Bedeutung der Freude ist, ja die Träume, diese Freier der Seele, spannen Trauerwagen für Hochzeiten an. – Der Jäger war fortmarschiert und wußte, daß ihm das Mädchen herzgut blieb. Er aber hatte den einsamen Grundsatz, nicht eher Liebschaften anzufangen, bis er einst gedächte heirathen zu können. Er hoffte dadurch gegen manches Trübsal fester zu stehen; ja er nahm einen unfreundlichen auswendig gelernten Ton an, bloß um sich mit Mädchen zu entzweien, die ihn hinter seinem Rücken von seinem Vorsatz brachten. Oft war es ihm gelungen, nur dießmal schwer geworden, ob er gleich das Zeitliche bedachte, und der Förster kein Vermögen hatte. Es ist ein wunderbarer Anblick, wenn Leute Vermögen oder vortheilhafte Aeußerlichkeiten werth halten, sich ehelich ihrethalben zu verbinden, wenn der Rücken der irdischen Last sich ergebend beugt, dann die Liebe ihn unversehens aufrichtet, und wie ein unbeachteter Funken Haus und Hof entzündet und abbrennt, daß sie weiter nichts haben als Hand in Hand. – „Sie hat auch kein Heirathsgut“, sagte Wilhelm, stopfte sich eine Pfeife und schlug sich das Mädchen aus dem Sinn. Nun marschierte er weiter dem Feinde entgegen, der Hügel aus Menschen in Ebenen schuf, und manches Herz unter den Grabhügel, den Weinberg der Liebe barg, an dem Thränen aufgehen, wie im Frühling die Reben weinen. Auch Anna bedeckte ihr liebstes entflohenes Leben, so daß das Geschoß, tief in die Seele gedrungen, den Leib unversehrt ließ, wie oft Krieger verwundet werden, ohne daß es, wo die Kugel durchging, an den Kleidern zu sehen. Der Tod ist das segensreiche Wetter nach dem der Mensch aufgeht. Schlank und größer war Anna in ihren Thränen geworden, die Lilienglocke der Liebe war empor gewachsen, und das Herz der Jungfrau schlug an ihr die reine Stunde an; und ihre Thränen gossen sich zu einem Bilde, das sich in den dunkeln Flor schlang, der ihre Seele verhüllte. Manchmal saß sie nun vor ihrem Spinnrad, und wenn noch die Sonne mit den blonden Haarflechten sich um ihre Stirne legte, ließ sie, wie bei müden Abenden, den Faden oft fallen, und sah starr, als sänne sie nach, vor sich hin. Das Rädchen, von dem Füßchen getreten, als stampfe sie vor Ungeduld, drehte sich, bis es von selbst stehen blieb. Betrachtete sie so ihr Vater, dann wollte sie die Thräne im Auge verheimlichen, und ergriff den Faden schnell wieder, ihn damit anzufeuchten. Trübe aber sagte der Alte: „Wenn du da mein Todtenhemd spännest, und meiner Tage Ende harrte darauf, bis es fertig würde, dann könnte ich manchen Tag noch leben, um meinen Schmerz an dir zu stillen. Doch du, mein einziger Gedanke, der mir nie aus dem Sinn kommt, du väterlicher Segen, den mein weißes Haar wie Schnee die Saat deckt, du spülst diesen Schnee hinweg mit den Thränen über die Mutter, daß er bald in die Erde gedrungen seyn wird.“ Sie hatte aber nicht bloß ihre Mutter betrauert; ihre sechszehn Jahre erschienen ihr wie Englein in eben so viel verschiedenen lieblichen Gestalten, als worin sie aufblühend ihre Geburtstage gefeiert hatte, und die jüngsten erhuben ihre Flügel und jammerten nach der Mutter, wenn die größeren nach dem Geliebten sehnsüchtig ihre Flügel ausbreiteten, und beide Anna mit Liebe und Leid anwehten.

(Die Fortsetzung folgt.)




Lindaraja’s Gefangenschaft und Befreiung.


     Harmlos gleitet hin das Schiffchen,
Eine von den schönsten Barken,
Auf dem abendklaren Strome
Durch des Landes blüh’nde Marken.

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     Auf den Sitzen, in der Runde

Hingezogen, drängt zum Kranze
Holder Jungfraun Jugendblüthe
Sich zusammen wie im Tanze

     Mit des Wassers goldnen Wellen;

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Und wie eine höhre Pflanze,

Königin der andern Schönen,
Raget Ein’ im Lilienglanze

     Aus den Blumen, aus den Wogen
Auf zum wolkenfreien Azur,

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Der sie einzufassen eilet,

Perle, in sapphirnen Lazur.

Und vom Ufer fügt das Grüne
Um das Kleinod noch Smaragden,
Und das Feuer der Demanten

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Reiht sich dran aus Wasserschachten.


     Also schwimmt wie eine Krone
In den Abend hin der Nachen,
Wie die Sonne dort versinket,
Scheint ein’ andre zu erwachen.

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     Die so fähret auf den Fluten,

Ist ein’ edle Morendame
Aus den Königreichen Spaniens,
Lindaraja ist ihr Name.

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_003.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)