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Verschiedene: Wünschelruthe

Traget Holz und laßt Gott kochen.




Spruch von der Bibel.

Wo keine Bibel ist im Haus,
Da sieht’s gar öd’ und traurig aus,
Da kehrt der böse Feind gern ein,
Da mag der liebe Gott nicht seyn.

5
Drum, Menschenkind! drum, Menschenkind!

Daß nicht der Böse Raum gewinnt,
Gib deinen blanksten Thaler aus,
Und kauf ein Bibelbuch ins Haus,
Schlag’s mit dem ersten Lächeln auf,

10
Hab’ all dein Seh’n und Sinnen drauf,

Fang drinn die ABC Schul’ an,
Und buchstabir’ und lies sodann,
Und lies dich immer mehr hinein,
Aufschlag darinn dein Kämmerlein,

15
Und ließ dir immer mehr heraus,

Mach dir ein wahres Bollwerk draus,
Und pflanz’ und pflanz’ hoch oben drauf
Die allerschönsten Sprüchlein auf,
Hell laß sie flattern, muthig weh’n,

20
Als deinen Banner laß sie seh’n,

Als deinen Schild drück’s an dein Herz,
Und halt dich dran in Freud’ und Schmerz,
Und will der böse Feind sich nah’n,
Schlag wie an einen Säbel dran,

25
Und halt’ nicht Rast und hab’ nicht Ruh,

Hau’ immer und immer und immer zu,
Und blank und scharf, damit’s auch frommt,
Und er zum zweitenmal nicht kommt.
O du mein liebes Menschenkind!

30
Hast du noch keins, so kauf’s geschwind!

Und ging’ dein letztes Gröschel drauf,
Geh, eile, flieg’ und schlag es auf,
Und schlag es du, und schlag es du
Nur mit des Sarges Deckel zu!

35
Des Lesens und des Lebens Lauf

Beginn’ und höre mit ihm auf.

v. Lehr.




Erzählung
von H. S.
(Schluß).


Oft hatte ihn Wilhelm so gesehen; und als es Ferdinand einst zufällig gewahrte, daß jener in seine trübe Seele schaue, riß er sich mit aller Anstrengung zur Lustigkeit hin, und als er sah, daß jener ihn wehmüthig betrachte, überspannte er sich bis zum Wahnsinn, das helle Kleid der Lust um sich zu werfen, damit niemand die Nacht seiner Stimmung sähe. Wilhelm aber, aufgeschreckt wie ein scheuer Hirsch, der die Wunde fühlt, die die Jagdlust ihm aufdrückt, umfaßt ihn einem Wüthenden gleich, und ruhig in seinen Armen wird er, wie ein wildaufschäumender Strom in seinen Ufern; und still, wie dieser wieder zwischen bewegten Blumen fließet, rannen klare Thränen in den tiefen Gründen seines Schmerzes. – „Ferdinand! was ist dir?“ rief Wilhelm im Mitleid. „Nichts! nichts!“ sagte Ferdinand, und schmiegte sich an ihn. Seitdem war der leichte Sinn vorüber, der oft schnell der Zeit vorlief, wie eine Uhr, die schwerere Gewichte sie belasten; und er verbarg nun vor Wilhelm nicht mehr, daß er trauerte. Er war schnell zu seinen Waffen gesprungen, als kurz darauf zum Ausrücken geblasen ward, und da wirklich der Feind anrückt, läßt Wilhelm, – der ängstlich seinen Waffenbruder, der ihm unbemerkt lieb geworden war, zu verlieren wähnt, – Ferdinand nicht aus den Augen, entschlossen für ihn Alles zu wagen, wenn er sein Leben verzweiflungsvoll dem Feinde bloßstellen würde. Als nun die Kugeln, nachdem sie lange mit eisernen Händen die Feinde auseinander gehalten, dann sie umarmend mit ihnen rangen, stand Ferdinand fest wie ein Vulkan, und verheerte ringsum die blühenden Gegner. Und da er dieselbe Tapferkeit in andern Gefechten wiederholte,

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_009.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)