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Verschiedene: Wünschelruthe


Ueber Buchstaben.




Die Buchstaben drücken in ihren todten Zügen oft so viel Leben aus, daß mit Recht Sprache und Schrift die lebendigen Bilder des Inneren, Geistigen genannt werden. Ja es tragen viele Worte auffallend den Character des Anfangsbuchstaben, oder die Form der Buchstaben drückt den Character vieler Worte sonderbar genug aus. Hievon nur einige Beispiele.

𝔞. ist das sich aus etwas stützende o. wie Alter, Armuth, Arm, Achtung, Abend, Adel, Arbeit, Allmacht, Anker.

𝔅. Ein kleines Boot mit einem Segel, nichts Geründetes, ein Fortstrebendes, sich Bewegendes, wie Bach, Bogen, Blatt, Ball, Bein, Boot, Bitte, Binde, Bothe, Bauen.

D.𝔇. Schwing- und Bogen Linie, auf der Erde stehend, zum Himmel strebend, wie Dank, Ding, Docht, Dulden, Denken, Drehen, Dichten, Dunkel.

F. Sein vorgebeugter Körper scheint das Gleichgewicht verlohren zu haben, und strebt fort, wie Fahrt, Fragen, Fangen, Falten, Fügen, Freyen.

𝔊. Das in sich Gerundete, Vollkommene, welches sich durch den herabgehenden Zug mittheilt, wie Gott, Gabe, Gut, Gatte, Grab.

H. zwei sich stützende, offene, begehrende Haken, wie Heben, Haben, Halm, Haken, Hände, Hauch.

I. ist das allein stehende Ich, ein Baum auf weiter Heide.

K. 𝔎. Ein verschlungener Knoten, das Werdende ausdrückend, Knoten, Kochen, Kannen, Krachen, Keim, Kneten, Kind, Kleid, Kraus, Kirche, Klug.

𝔏. Ein Segel aus flachem Brette, welches ein Spiel der Wellen, wie Leben, Lieben, Lachen, Loben, Lug, Leiden.

M. 𝔐. eine feststehende, erzeugende Dreyheit: Mann, Muth, Malen, Machen, Mauern, Macht, Muß, Mensch.

N. 𝔑. Ein Unvollkommenes, Unbestimmtes, Verneinendes; zwei Strebungen nach demselben Ziel, durch eine kleine Linie zu einem Ganzen gemacht, wie zwei Verneinungen eine Bejahung machen: Natur, Noth, Nicht, Nein, Nacht, Nehmen.

O. 𝔒. Die Vollendung die im Himmel ihr Ziel gefunden, das geistige Beginnen und Enden der Vollkommenheit: Oben, Opfer, Odem, Osten, Ort, Ohr.

P. 𝔓. Ein verschlungener Knoten, mit scharfer Spitze: Plage, Pein, Preis.

Q. 𝔔. Ein aus der Tiefe entsprudelnder Quell, Quaal, Qualm, Quecke.

ℜ. R. Ein schnarrend Fortrollendes wie Rad, Rede, Risse, Roße, Rufen, Rollen, Rathen, Reiten.

𝔖. Ein geöffneter Sack, ein Ausstreuendes, wie Sagen, Sabbeln, Sade, Säen, Sammeln, Sand, Sarg, Sorgen.

T. 𝔗. Ein Getrenntes, aus mehreren Theilen Bestehendes: Thon[WS 1], Theil, Tanz, Thorheit, Treiben, Thun, That, Thurm.

𝔚. W. Hat das Wogende, Wiegende in seiner Form, wie Woge, Wiege, Wette, Wage, Wünschen, Wahn, Wandel, Wank, Wort, Walle, Wecken.

Z. ℨ. Ein gezacktes, schneidendes, eckigtes, wie Zeit, Zahn, Zucht, Zorn, Zeile, Ziehen etc.

Sigurt Albrok[WS 2].




Zwei Fragen.
1.

Wo ist der lichte süße Quell
Draus du kannst Stärkung trinken,
Wo ist der Sternenglanz so hell
Der dir thät Trost zuwinken,

5
Was folgt dir nach so schmerzlich treu

Mußt du von dannen ziehen
Und sagt dir ohne Worte frei:
Nie soll die Lieb’ verglühen?
Und was erkundet sorglich dich

10
Schon auf noch ferner Straßen

Und fliegt zu dir herzinniglich
Eh’ noch die Arm’ dich fassen?
Und was schmückt dich in sel’ger Lust
Mit köstlichem Geschmeide,

15
Wenn du nun zu der Treuen Brust

Gelangt aus trüber Weite?

2.

Was ist es wohl, womit ich klar
Doch still meine Lieb’ kann sagen?
Was ist’s, worin ich treu und wahr
Doch geheim mein Leid kann klagen?

5
Was ist’s, womit ich schreiben kann

Ganz offen und doch verborgen
Wie deine Lieb’ mir ruft heran
Des Lebens freudigen Morgen?
Was ist’s womit ich sinnig reihn

10
Kann alle sel’gen Gefühle

Und du dich kannst zugleich erfreun
An Duft und Liebesspiele?

H.


Der Kaufmann K. in G. zog, nachdem er dem Ladenburschen, weil er sich unnöthiger Weise eben 2 Ggr. zu viel hatte abdingen lassen, in der Geschwindigkeit noch eine Ohrfeige zugesteckt hatte, mit seiner Liebsten zur Kirche um sich trauen zu lassen. Vor dem Altar stehend, fragt ihn der Pfarrer: Wollen Sie, N. N., gegenwärtige Jungfer, N. N., zu ihrer ehlichen Frau nehmen? Aufzuwarten Herr General-Superintendent! antwortet die höfliche Kaufmannsseele.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ton. Siehe Druckfehler S. 44
  2. Vorlage: Albrod. Siehe Druckfehler S. 44
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_040.jpg&oldid=- (Version vom 8.2.2018)