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Verschiedne: Wünschelruthe


sie ebenfalls freundlich grüssen und bitten, sie mochten ebenfalls bei ihro hochfürstlichen Landesherren vor mich bitten und in ihren Gebett bei Gott vor meine Guet Detter und Erlöser dieses Elendes ingedenk sein. Schliesse mit bitteren Thränen und verharre an ihro Hchfürstliche Gnaden

Ein aller unterthänigster Unterthan und Diener
Johannes Winkelhannes Sclav de Minister Casnaczi in Algier

So ein Schreiben an mich überschickt werden sollte, ist solches an Monsieur Walther Consul de Schvede zu attressiren und muß solches bis nach Marseilo frangierent werden.

Signt. Algier in Barbaria den 8ten November an. 1787.

Im April 1807 wird dem Drosten H…n in dem Augenblick, als er auf der Haustreppe steht, um in den Wagen zu steigen, der ihn nach Paderborn bringen soll, von dem Felddiener und Gerichtsboten Malchus die Anzeige gemacht: in Bellersen sei vor einigen Tagen der Hermann Winkelhannes, der seit 25 Jahren verschollen, und damals des Mordes beschuldigt, eingetroffen, ob man da vielleicht von Gerichtswegen ihn arretiren oder sonst verfahren solle. Worauf der Drost in den Gedanken der Abreise durch plötzliche Verwunderung über die seltsame Nachricht gestört, und die Schwere der Worte nicht gleich erwägend, zum Gerichtsdiener gesagt: allerdings, er müße gleich arretirt werden; aber eingestiegen und kaum vom Hof gefahren läßt er halten, und ruft den Gerichtsdiener an den Kutschenschlag, ihm befehlend: er solle noch mit der ganzen Sache ruhen, und schweigen, er wolle erst in Paderborn anfragen, die Sache sei so lange her, die Zeugen meist todt oder fort, die ganze Untersuchung also schwer und unklar, auch schon längst Gras darüber gewachsen.

Dort angekommen geht er nach dem noch von Preußischer Seite angestellten Regierungspräsidenten von Coninx, und frägt ihn um Rath, der aber sagt gleich, er möge den Hermann W. ganz ungekränkt lassen, 24 jährige Sklaverei wäre nach dem Gesetze dem Tode gleich gesetzt. Und so fährt er wieder nach Haus und läßt dem Hermann W. sagen, daß er ganz frei und unbestraft leben dürfe, und er möge bei Gelegenheit einmal zu ihm kommen.

Da meldet einen Nachmittag, als die Familie beim Kaffee sitzt, der Bediente: der Algierer sei da und wolle gern den gnädigen Herrn sprechen. Auf den Befehl, er solle ihn nur herein weisen, tritt ein kleiner krüpplicht bucklichter Kerl herein, ganz kümmerlich aussehend, der auf die Frage, ob er der Hermann Winkelhanns sey und wie es ihm ergangen, dieß erst nach mehrmaliger Wiederholung versteht, und dann in einer Sprache antwortet, deren Zusammenhang wieder niemand im Zimmer versteht, und die ein Gemisch scheint von wenig Deutsch und Holländisch, mehr Französisch und Italiänisch und Türkisch, wie sie die Sclaven in der Barbarei unter einander sprechen.


(Fortsetzung folgt).




Aus einem Schreiben vom Jan. 1807. von Herrn Ob. Medicinal-Rath Blumenbach mitgetheilt.




– Ein Preussischer Officier vom Regimente Lettow, Hr. v. W. marschirte mit seinem Regimente von Paderborn nach Quakenbrück im Osnabrückischen. Hier hat er kaum sein Quartier bezogen, als eine Taube, ein Männchen von Columba gutturosa, sich vor das Fenster setzt, und mit dem Schnabel, auf sein Jagen nicht achtend, so lange dagegen pickt, bis W. es ihr öffnet. Ohne Scheu fliegt sie sogleich herein, und kurrt in der Stube umher, als ob sie von jeher darin gewesen wäre. W. fragt den Wirth deßwegen, aber dieser kennt sie nicht. Dann holt und giebt er ihr Futter, und in kurzer Zeit gewöhnt sie sich so an ihn, daß sie nicht nur nicht von seiner Seite weicht, sondern auch niemand Fremdes in seinem Zimmer dulden will. Jedem Fremden flog sie entgegen, kurrte gegen ihn, schlug ihn mit ihren Flügeln und biß ihn. Nach einiger Zeit verfügte sich W. mit seinem Regimente nach Münster, und das Täubchen verließ ihn auch hier nicht. Auf dem Marsche setzte sie sich entweder auf W.’s Schulter, oder auf sein Pferd. Es scheint also nicht bloß Gewöhnung an den Aufenthalt im Zimmer, sondern wirkliche Anhänglichkeit an die Person gewesen zu seyn, welche das Thierchen äußerte. Es hatte sich an das Pferd, und das Pferd an das Täubchen bald so gewöhnt, daß dieses nicht beim Stampfen jenes, und jenes nicht beim Auffliegen und Niederflattern dieses scheu wurde. So bald W. auf der Parade oder bei andern Gelegenheiten absteigen mußte, blieb die Taube bei dem Pferde und kam nur selten ungerufen auf seine Schulter; aber auf das geringste Locken flog sie ihm sogleich entgegen. Unter hundert Pferden unterschied sie das seinige, und unter vielen Officieren gleicher Uniform erkannte sie ihn jedesmal unfehlbar. Im Quartier in Münster ließ sie W. frei umhergehen, und immer fand sie seine

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Verschiedne: Wünschelruthe. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1818, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_047.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)