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Verschiedene: Wünschelruthe

Wer für Andere lebt, hat am besten für sich selbst gelebt.




Ueber den Amor des Michel Angelo und einige antike Vorstellungen schlafender Knaben.
Von Joh. Dom. Fiorillo.




Wenn wir auch zwei eigene Lebensbeschreibungen des großen Michel Angelo von zwei seiner Schüler, dem Ascanio Condivi und Giorgio Vasari erhalten haben[1]; so sind dennoch manche Nachrichten von seinen Werken sehr unzuverläßig und dunkel, und verdienen eine nähere Prüfung. Unter den Sagen, die durch Ueberlieferung sich fortpflanzten und selbst von Vasari aufgenommen worden sind, ist die, von einer Statue, welche Michel Angelo absichtlich am Arm verstümmelt, vergraben, und nachdem sie einige Jahre im Schoos der Erde gelegen hatte, wieder hervorgeholt und als eine Antike dem Cardinal di San Giorgio[2] verkauft haben soll, eine der wichtigsten, und die zu mehrern Mißverständnissen Anlaß gegeben hat.

Um die Sache genauer beurtheilen zu können, müssen wir zuvörderst die Stelle des Vasari mittheilen, in welcher er etwas verworren jene Legende erzählt. Nachdem er im vorhergehenden von einigen andern Arbeiten des Michel Angelo gehandelt hat, fährt er folgendermaßen fort[3]Michel Angelo unternahm es auch, einen schlafenden Cupido in Lebensgröße zu verfertigen, den nach seiner Vollendung Baldassari di Milanese dem Pier Franzesco[4] als ein schönes Kunstwerk zeigte. Dieser erwiderte: wenn du ihn in der Erde verbirgst, so bin ich überzeugt, daß er für eine Antike gelten wird; schicke ihn nach Rom, gib ihm das Ansehen einer Antike, und du wirst mehr daraus lösen, als wenn du ihn hier verkaufst.[5] Man sagt, daß ihn Michel Angelo zu einer Antike umgemodelt habe.“ - „Nach Andern soll Milanese die Statue nach Rom gebracht, in einem Weinberg vergraben, und hierauf als eine Antike dem Cardinal di San Giorgio für zweihundert Ducaten verkauft haben. Noch Andre wollen, daß Milanese dem Cardinal einen verkauft habe, den Michel Angelo für ihn verfertigte, und daß Milanese an den Pier Franzesco geschrieben, er möge dem Michel Angelo 30 Scudi auszahlen lassen, indem er hinzufügte, daß er nicht mehr dafür bekommen hätte, auf diese Weise hintergehend den Cardinal, Pier Franzesco und den Michel Angelo. Als aber der Cardinal von Jemand erfahren hatte, daß der Contract in Florenz aufgesetzt sey, gab er sich Mühe der Sache durch einen Vertrauten auf den Grund zu kommen, und bewirkte, daß der Agent des Milanese ihm das Geld wieder zustellen mußte, Michel Angelo aber den Amor zurückbekam. Dieser wurde dem Herzog von Valenzia[6] verkauft, der ihn der Marchesin von Mantua zum Geschenk machte, die ihn mit aufs Land nahm,

  1. S. Meine Geschichte der Mahlerey , Th. 1. S. 374.
  2. Eigentlich Raffaelle Riario, der fälschlich von einigen Schriftstellern der Cardinal di San Gregorio genannt wird. S. L’ Advocat im Art. Michel Ange, und de Viles.
  3. T. III p. 197 ed. Bottari.
  4. Ich glaube, daß man lesen muß: dem Lorenzo di Pier Francesco de Medicis. Auch kann ich nicht begreifen, warum Michel Angelo, der mit der Mediceischen Familie so genau bekannt war, diesen Auftrag dem Milanese gegeben haben soll?
  5. Diese Rede scheint Lorenzo eher an den Michel Angelo, als an Milanese gerichtet zu haben.
  6. Der Herzog von Valenzia, Valentiois, vor Cäsar Borgia, ein Sohn Alexanders VI. unter jenem Namen allgemein bekannt.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_049.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)