Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 083.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Wünschelruthe

Ich müßte einen guten Kriegsmann abgeben - denn ich kann meine Stelle unvergleichlich behaupten. Meiner Treu, ich sehe weder Freunde noch Feinde, nichts als Spechte und Eichkätzchen und Affen und Eulen und Dohlen und Bachstelzen: das ärgste aber ist, daß keiner von diesen Grasfressern meine Sprache reden kann, nur bloß diese Närrin, die mich zum besten hat, und geschworen, daß sie das letzte Wort haben will, meinen Zähnen zum Trotz. Nun, sie soll es haben, weil sie ein Weib ist. Diese Art Geschöpfe sind doch lauter Echo; nichts als Zunge. Sie sind wie die große Glocke auf den Michaelis-Thurm in Cyprus, die den meisten Lärm macht, wenn die Leute am liebsten schlafen möchten. Echo, hol dich der Teufel, weil du mich verhöhnst.
     Echo. Hol dich der Teufel, weil du mich verhöhnst!
     Fort. Immer zu, Wischewasche! der Krieg hat ein Ende. Aber diese Wildniß ist eine Welt ohne Ende. Sieh einer an, wie Reisen einen umgestalten kann! Meine Zähne find zu Nußknackern geworden. Tausend gegen eins, ich muß nächstens ausschlagen, denn ich bin inwendig ganz vollgepfropft mit Kernen. Wenn ich noch drei Tage in dieser Hecke voll Kuckucksnestern herum springe, werde ich wahrhaftig zum wilden Mann; und sie werden mich miethen, um Schwärmer unter das Volk an einem feierlichen Tage zu werfen. Inzwischen will ich, ohne weitere Umstände, hier liegen. Lebe wohl, Narr!
     Echo. Lebe wohl, Narr!
     Fortun. Sind das nicht tröstliche Worte für einen verständigen Mann? - Gott segnen Euch, Herr Baum! Mit Eurer Erlauhniß, ich muß unter Eurem Laube schlafen. (Der Wind schüttelt die Aeste des Baums.). Ich bitte verneigt Euch vor mir, und ich will mich vor Euch nieder werfen; denn ich vermuthe, Euer Rücken und meine Stirn werden noch unterschiedliche Male angeblasen werden, eher ich wieder aufwache. - Nieder, großes Herz, nieder!
(Er gähnt) I, ha! Gut! (Er streckt sich unter den Baum hin, und schläft ein).

(Es treten auf ein Pflüger, ein Bauer, ein Mönch, ein Schäfer; alle viere gekrönt. Dann eine Nymphe mit Fortuna’s Rade; dann Fortuna; hinter ihr vier Könige mit zerbrochnen Kronen und Sceptern, in silberne Ketten geschmiedet. Die vier ersten treten singend ein; die vier Könige werfen sich vor der Fortuna nieder, welche auf ihre Leiber tritt, indem sie ihren Wagen besteigt).
          Einer der vier Gekrönten singt.
     Fortuna lächelt, o Seligkeit!
     Von dem freundlichen Blick noch jeder genas!
     Fortuna zürnt, o Herzeleid!
     Ihre Lieb’ ist Himmel, und Hölle ihr Haß!
     Da Himmel und Hölle sich beugt Ihrem Thron,
     Erbebt Ihrer Augen entsetzlichem Drohn!
     Da Himmel und Höll Ihrem Throne sich beugt,
     Ruft: Seligkeit! wenn sie lächelnd sich zeigt!
     Wir beten dich an; Aus freudiger Brust
     Erschallet dein Loblied voll Jubel und Lust.
     Singt Preis und Dank der Göttin Fortuna!
     Singt Preis und Dank der Göttin Fortuna.
          Alle, außer den vier Königen.
Singen wir fröhlich denn, fröhlich denn, fröhlich denn!
     Unser Lied gen Himmel tönt,
     Da Fortuna’s Hand uns krönt!
Singen wir fröhlich denn, fröhlich denn, fröhlich denn!
Erster König. Verfluchte Königin des Glücks, o sprich.
Wir, die wir sonst, wie junge Phaëtons,
Gefahren in der Sonne Strahlenwagen
Als deine Trauten, da noch Deine Finger
In unsern Locken Liebesnetze webten,
Mit süßem Gaukelkuß die Wang’ uns wärmtest -
Was thaten wir denn Deinen stolzen Augen,
Daß wir zermalmt, getreten werden müssen,
Indeß der siechen Welt erkrankte Glieder
          (Er zeigt auf die vier gekrönten).
Hier Sterne sind durch dich im lichten Kranze,
Wo wir gestrahlt in sonnengleichem Glanze?
     Alle Könige. Verfluchte Königin! du Zauberin!
     Die übrigen. O mächtge Königin! du Herscherin!
     Fortuna (zu den übrigen). Nicht weiter Ihr! (zu den Königen). Musik ist Euer Schreien,
Es schallt zu meiner Ohren heilger Wölbung
Mit Tönen, süßer als der Sphären Klang.
Flucht immer! Seht auf unsrer Himmels-Stirn
Unendlich Lächeln von dem Throne schimmern,
Wenn Knechte jubeln, und Monarchen wimmern.
Seht diese goldne Kugel, dieses Spielzeug,
Das Welt heißt, hier vor unsern Herscherfüßen!
Fortuna’s Ball ist diese Welt zum spielen.
Zuweilen schlag’ ich sie hoch in die Luft,
Und so erschaff’ ich Könige und Kaiser.
Zuweilen tret ich drauf; dann kriecht hervor
Das wilde Thier: die Menge. Flucht Ihr Narren.
Ich reiße Fürsten von dem Thron herab,
Umgürte niedre Braun mit goldnem Stirnband.
Ich trete auf die Nacken der Erobrer,
Und wenn, Halbgöttern gleich, sie prangend fuhren
Zum Capitol im Sitz von Elfenbein,
Umgeben rings von aller Augen Staunen,
Von Freuderuf, von Liebe eines jeden,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_083.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)