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belohnen meinen guten Willen, erstens der fidele Humor, mit welchem Sie ihm auf dem Hintern über das Leben hinrutschen, zweitens, daß Sie Etwas Gutes hie und da im Calderon gefunden haben. - Daß Sie mir als einem Dichter so übervertraulich im Gesicht greifen, nachdem Sie mir Allerlei in meine Seele hinein dekretirt haben, woran ich nie gedacht, muß ich mir um so leichter von Ihnen gefallen lassen, als dies ein Handwerksgebrauch bei Ihnen ist, ohne dessen Beobachtung Sie von jeder Komödianten-Herberge herunter geworfen werden würden; aber wenn ich es vertrage, daß Sie so Theater-Direktormäßig mit mir umgehen, so dürfen Sie mir auch nicht verdenken, wenn ich Sie einmahl etwas auf meine Art behandle. Diese Wechselwirthschaft hält uns vielleicht allein zusammen. So mögen Sie denn hier nochmahls alles schriftlich hören, was ich Ihnen neulich bei ihrer Magenessenz ins Gewissen gesagt. Ich halte von dem Theater, wie es jetzt ist und eine schlechte Bühne es der andern ohne alle Originalität nachtreibt, weniger als nichts. Ich bin der eisernen Ueberzeugung, ihr spielt Comödie mit allem, womit man sie nicht spielen kann, und alles, was dazu nöthig ist, habt ihr nicht und wollt ihr nicht. O wäre ich ein Fürst, ich wollte euch zeigen wie die Sache allein anzugreifen ist. Ich kann mir einen Staat denken, dessen ganze Revenue in der Theatereinnahme bestände, und der Eintritt sollte doch billiger als jetzt, oder gar nach Belieben sein. Da wären wir alle Standespersonen, sagen Sie und lachen, und nennen meine Worte Unsinn, weil Sie ihre eigne Aufgabe nicht, vielweniger die Meinige verstehen. Ich wundere mich gar nicht darüber, wie kann der Bandwurm, der in den Eingeweiden eines Menschen lebt und vermöge der Krankheit über ihn herrscht, ihn treibt, ängstigt, ihn rasen, fantasiren und convulsioniren macht, einen Begriff von dem Menschen, als dem Ebenbilde Gottes und also auch von dessen Ebenmacht im Menschen haben, das heist, was kann ein moderner Theaterdirekttor von der Macht einer Kunst verstehn, welche das conzentrirteste Leben, das Gedicht, durch dessen Schöpfer selbst, den Menschen, dem Menschen einzuspiegeln berufen ist.

(Die Fortsetzung folgt).




Reifstein.




(Schluß).

Eben so wichtig für die Geschichte und Praxis der Kunst ist sein Bestreben geworden, die Enkaustik der Alten wieder herzustellen und zu verbreiten. Graf Caylus lenkte bekanntlich bey seinen mannichfaltigen eifrigen Bemühungen um die Kunst die Aufmerksamkeit der neuern Forscher und Künstler zuerst wieder auf diese Verfahrungsart der Alten, deren Plinius und Vitruv an mehrern Stellen erwähnen. 1752 las er darüber einen Aufsatz in der Akademie der Inseriptionen vor, und seit der Zeit sind viele Schriften darüber erschienen und manche Versuche gemacht worden. Besonders haben Baron Taube in Mannheim und der Mahler Kalau in Berlin viele Versuche gemacht, die verschiedenen Verfahrungsarten, auf die man gekommen war, zu verbessern und zum Gebrauche anzuwenden[1]; neben diesen beyden nun verdient Reifstein ganz vorzüglich genannt zu werden. Er vervollkommnete nicht nur diejenige Art der Wachsmahlerey, die man auf Wände große Gegenstände und Decorationen auftragen kann, und welches eigentlich die Enkaustick der Alten war, sondern veranlaßte auch nach seiner Gewohnheit besonders mehrere Künstler, sich mit dieser Mablerey zu beschäftigen und sie auf diese Art auszubilden. So ließ er in Rom in Auftrag der Kaiserinn von Rußland ein ganzes Kabinet für dieselbe von Delia, Cades und Angeloni mahlen, und noch in seinem letzten Lebensjahren machte er seinen Freund Hackert und durch diesen den König von Neapel zu Freunden dieser Mahlerey, mit der sich jetzt wirklich der für alle Zweige der Kunst so thätige Hackert selbst beschäftigte. Es ist am gültigsten, das hierher zu setzen, was der letztgenannte große Künstler hierüber unter dem 28. Febr. 1794 aus Neapel schreibt: „da Reifstein (1792) bey mir in Casarta war, hatte er Farben mitgebracht, um àl’Encaustique zu mahlen; ich machte zwei kleine Gemählde nach seinen Recepten; diese kleinen Proben geriethen so gut, daß ich sehr wohl einsah, diese Art der Mahlerey sey sehr schön, dauerhaft und nützlich zu Decorationsgemählden in einem Zimmer. Ich bat ihn nicht allein, mir die Zubereitung dieser Farben zu lehren, sondern darin zugleich einen Decorationsmahler zu unterweisen, den ich schon einige Jahre für des Königs Dienst beschäftigt hatte, um Zimmerzierathen zu mahlen. Dieses geschah, er unterrichtete uns beyde. Ich lies gleich in meinem Studio auf der Wand eine Probe von dem Decorationsmahler machen, die sehr gut ausfiel; auch ließ ich zugleich Proben auf großen Ziegeln machen, die mit dem präparirten Mörtel zubereitet waren. Der König kam eines Morgens in Caserta in mein Studium und fand ihn und mich mit diesen Proben beschäftigt; es gefiel ihm so sehr, daß er das Einbrennen sehen wollte, so bald es bis dahin fertig wäre. Dieses geschah, und da die Sache so gut gerathen war, so trug mir der

  1. Ueber die verschiedenen Methoden, mit Wachs zu mahlen, S. Jacobsons Technologisches Wörterbuch. Art. Enkaustik und Wachsmahlerey.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_094.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)