Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 104.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Wünschelruthe


5
     Was ist das Betrüblichste?

Wenns eins gern Nonnenstell verträt,
Und kommt zum Pater ders nicht versteht,
     Das ist das Betrüblichste.

     Was ist das Ueblichste?

10
Ein Kaufmann der die Messe hält,

Und kömmt nach Leipzig und hat kein Geld,
     Das ist das Ueblichste.

     Was ist das Stolzigste?
Ein Fräulein das zu Hofe geht,

15
Ein Pferd das in Schabracken steht,

     Das ist das Stolzigste.

Fragment aus dem Zitterspielbub etc. f. 112.




Eine Parabel.




Es ereigneten sich einst allerlei seltsame Erscheinungen, worüber die Menschen in Sorge und Angst gerieten, weil nur eine schlimme Vorbedeutung darin erkannt werden konnte. Feurige Drachen stiegen aus der Erde, und einer verschlang den andern; Todtensärge schwebten in den Lüften, und drüber her lagen weiße Knochen und blanken Schwerter; Gräber öffneten sich, und bleiche, grinzende Larven gingen daraus hervor, mit drohender Bewegung.

Die Leute standen da, fast starr vor Schrecken, und seufzten über diese Zeichen. Unter der Menge befand sich aber auch ein Mann, der lachte höhnisch und sprach: die Umstehenden möchten wohl bethört seyn, ja vielleicht wahnsinnig, denn Er sehe von alle dem nichts, der Himmel sey vielmehr ungewöhnlich klar, und der Boden habe noch nie so viele Blumen und Kräuter getragen.

Die ihm zunächst standen, blickten den Mann mit Erstaunen an, aber bald merkten sie, daß er die Augen hinten am Kopfe habe, und unverrückt nach der Seite hinstarre, wo auch in der That von den furchtbaren Erscheinungen nichts wahrgenommen werden konnte. Sie wollten ihn darüber belehren, der Mann aber hieß sie dummes Gesindel, vom lieben Gott mit Blindheit geschlagen. Er allein sey sehend, und wolle alsbald nach Haus gehen, und es ausrufen und auch drucken lassen, daß sie den Verstand verloren hätten.

A. Schreiber.




Ueber altdeutsche Gemälde.




(Fortsetzung).

Das Dombild steht vor uns wie ein Epos in der bildenden Kunst. Es ist als habe das ganze Volk es gemalt und seine großen Erinnerungen aus einer heiligen Vorzeit hineingelegt. Paßt dieser Vergleich nicht ganz, insofern das Volk sich hier in der Hauptsache auf eine Stadt beschränkt, und man auch hier in jedem Fall bestimmter einen einzelnen Urheber voraussetzen muß als bei dem Liede, so ist doch schon auffallend wie sehr die noch immer durchaus unentschiedenen[WS 1] Streitigkeiten über Urheber und Alter des Bildes mit jenen über beides bei der Nibelungen, Aehnlichkeit haben. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß auch hier beides beständig dunkel bleiben wird; aber deutlich ist der Ursprung aus den Nachbildungen uralter hieratischer[WS 2] Werke aus dem Orient, von denen sich kein Anfang je auffinden läßt, wie aus heiligen Sagen; deutlich, wie das Bild[WS 3] zunächst die ältesten religiösen Vorstellungen ganz in dem Sinne der frühesten Verehrung auffaßt, welche durch spätere Ereignisse noch eine nähere Beziehung zum Volke erhalten, durch das Grab der heiligen drei Könige im Dome, - und wie sich daran die geschichtlichen Denkwürdigkeiten des Volkes schlossen, freilich so wie sie vorzugsweise die Kirche auffaßte, in den zum Theil historischen Legenden von St. Gereon und St. Ursula, deutlich wie es ebendeßwegen so rein aus heimischem[WS 4] Boden entsprossen; deutlich wie es den Bestrebungen der niederländischen Kunst entgegensteht, die sich ganz aus der Kraft der Einzelnen bildeten und mit dem Namen jedes auf die Nachwelt kamen.

Merkwürdig ist auch zu sehen, wie das Verhältnis des Bildes zu den Werten, welche aus einem ganz gleichen Geiste hervorgegangen, erscheint. Aus den bisher bekannten wollten wir nun freilich kein Heldenbuch zusammensetzen, wenn wir die wenigen großen Tafeln mit Heiligen in der Boisseréschen Sammlung ausnehmen; aber doch sind noch mehrere Gemälde dieser Art der Betrachtung nicht unwerth. Man findet dazu ebenfalls Gelegenheit in der Wallraffschen Sammlung. Hier richten wir zuerst unser Augenmerk auf ein nicht großes Bild auf drei Tafeln, welches ganz dieselben Vorstellungen des Dombildes umfaßt, und auch in vielen Figuren, so wie in der Behandlung, genau mit ihm übereinstimmt, so daß man durchaus irgend eine nähere Verbindung zwischen beiden annehmen muß. Aber die Kraft des herrlichen ursprünglichen Geistes, der unendlich tiefe, klare und liebliche Ausdruck, die blühende Gluth der Farben fehlt hier. Es wäre sehr wünschenswerth zu erfahren, ob dieß Bild älter oder jünger als das Dombild ist; wir würden das erstere annehmen, wenn wir streng bei der Analogie des Epos stehen bleiben wollten; aber die Eigenthümlichkeit der bildenden Kunst macht uns zu dem letzteren hinneigen, in welchem Fall freilich der Maler nur ein ungeschickter Nachahmer heißen kann.

(Die Fortsetzung folgt).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: unentschieschiedenen
  2. Vorlage: hieretischer. Siehe Druckfehler S. 124.
  3. Vorlage: bild
  4. Vorlage: heimischen. Siehe Druckfehler S. 124.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_104.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)