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Wanderlied.

     Ich bin ein junger Wandersmann,
Geh durch die Welt zu Fuße,
Da spricht die ganze Welt mich an
Mit lust’gem Reisegruße.

5
     Wo ich ein Blümlein blühend find’

Da heiß’ ich’s mit mir gehen,
Wo kühlig rauscht ein Lenzeswind
Da muß er mich umwehen.

     Wo mir ein Fels entgegen schaut

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Wird frisch mein Stab geschwungen,

Daß von dem Schlag kommt hell und laut
Der Gottesquell gesprungen.

Und will ich ruhn vom Wandern aus
Brauch’ ich nicht lang zu fragen,

15
Nimmt flugs mich auf ein gastlich Haus

Von Säulen hoch getragen;

     In blauer Luft steht grün sein Dach,
Viel goldne Sternlein drinnen,
Und singend Vöglein hält die Wach’

20
Auf seinen blühnden Zinnen.


     Und webt dem süßen Schlafe ein
Der Heimath Liebesträume,
Bis wieder ruft die Straß’ herein:
Such’, Wandrer, andre Bäume!

25
     Mag sie mich ziehn dann weiter fort

Durch Welt und Wetterstürme,
Das Herz mit seinem Liebeshort
Geht frisch durch alle Stürme.

     Und wenn auch Regenschauer fällt,

30
So denkt’s: sind Himmelsthränen

Die er zu seiner Braut, der Welt,
Geweint in Liebessehnen.

Hornthal.




Briefe über das neue Theater.




(Fortsetzung).

Wie mochten Sie auch mit dem Calderon gleich zu Psyche laufen, und sie vor dem Amanten das herrliche Gedicht abhaspeln lassen. Warum lasen Sie nicht erst ruhig für sich, und fragten mich dann, wie es anzustellen sei, mit den gehörigen Modificationen, den blüthentollen farbentrunkenen Triumphzug dieses südlichen Thyrsusschwingers der Fantasie über unsre Bühne zu führen. Aber da laufen Sie gleich mit dem zauberischen Carfunkel zu Ihrem jüdischen Hofjuwelier, und weil dieser dergleichen Edelsteine nicht in seinem Handel kennt, rümpft er die Nase, und meint er sei der Fassung nicht wehrt. Die Fassung war Psyche, und die kam aus der Fassung über des Amanten Gesicht. Was geht diese Leute der Calderon an. Sie müssen das Kunstwerk verstehen, Sie müssen Ihre Leute kennen und beherrschen, und wo Sie nicht mit Macht durchdringen zu können glauben, da müssen Sie Ihre Leute zum Guten und Rechten verführen, zum Schlechten verführen sie sich selbst. Bei dieser Gelegenheit fällt mir die Ursache ein, warum ich mich eigentlich mit euch herumtreibe, blos um euch zu verführen, zum Guten zu verführen. Lieber Himmel, wenn sich niemand

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_105.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)