Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 114.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Wünschelruthe


Die alte Böse[WS 1], kracht und saust
Sie will dir bleichen
Deines Blutes rothe Well!

10
Der Wind im dunklen Eichwald braust

Und der liebe liebe Mond scheint hell!
Morgen ist Hochzeit
In Ewigkeit!

Franz blickte empor und wie eine strahlende Sonne, sah er den glänzenden Vogel über seinem Haupte schweben; den goldnen Ring trug er noch am Halse, und der schimmernde rothe Karfunkel der daran saß, brannte Franzen hell ins Auge. An der rechten Schwinge, wo Franz die Feder weggenommen hatte, erblickte er eine rosenfarbne Feder, auf welcher ewige Sonnenstrahlen zitterten. Der Vogel ließ sich sanft auf Franzens Helmbüschel nieder, indem er seine Weise bald mit einem wunderfreundlichen[WS 2] - bald mit so wehmüth’gem Tone sang, daß es Franzen das Herz durchschnitt. Der Ritter setzte nun die goldnem Sporn dem treuen Roße mächtig in die Seiten, und rannte in wilder Begeistrung gegen den schwarzen Fremdling - der Glanz des Vogels war aber so groß und mächtig, daß des Gegners Roß scheu wurde, zusammenstürzte und Franz seinem Feind aus dem Sattel in das Feld warf. Bei dem Falle zitterte der Boden und der schwarzen Helm flog weit weg über den Anger. In dem Augenblick wo der Helm sich löste, erkannte Franz das braune Gesicht der Alten aus der Hütte; wie Feuerkugeln schielten ihre Augen ihn an, und schrecklich grinsend deckte sie den Schild schnell über das entblößte Antlitz. Da eilten plötzlich zwei Ritter herbei die man sonst nicht gesehen hatte, und schlepten so eilig den Verwundeten weg, daß man nicht sehen konnte, wohin sie enteilt waren. - Franz war in ein tiefes Sinnen versunken und hielt Speer und Schild noch in derselben Stellug, worin sie in dem Augenblick in seiner Hand geruht hatten als die Alte abgestochen vor ihm lag. Aber kaum war sie vom Felde verschwunden, als sich der schöne Vogel aus Franzens Hand setzte und ihn wehmüthig bittend anschauend, sein Köpfchen neigte und an dem goldnen Fingerlein schüttelte. Franz verstand die geheimnißvolle Rede, und zog leise das Ringlein von dem schön gewundnem Halse. Ach! wie wurde sein Herz voll süßer Freuden, und sein Blick voll Flammen - und seine Brust voll glühender Sehnsucht, als in dem Augenblicke die schöne Gestalt der blondgelockten Jungfrau die einst seinen Schlummer bewacht hatte, vor ihm auf des Rosses Halse saß. Wie mit Lilien, umschlang sie ihn mit ihren Armen und drückte einen rosenrothen Kuß auf seine Lippen. Das goldne Ringlein steckte sie ihm an die Hand - die rothen Gluthen des Karfunkels waren erloschen - ein wasserheller Demant glänzte an seiner Stelle. „Des Königes Tochter, die schöne Fredegunde, seht, da ist sie - der Edelstein zu des Königes Krone ist wieder da, seht, seht! O der glückliche Mann aus dem weißen Zelter, der muß sie heimführen - kein andrer!“ So riefen alle Ritter auf dem weiten grünen Felde - Franz hob sein Visir auf - man erkannte ihn - „es lebe der glückliche tapfre Ritter Franz!“ riefen die bunten Herolde über das Feld - „Morgen ist Hochzeit!“ - „In Ewigkeit“ seufzte Fredegunde aus tiefer Brust und schmiegte sich sanft in Franzens Arm! der lenkte nun mit der theuern Bürde zur Königsburg, um sein Leben in des Vaters Arme zu senken, und es aus ihnen auf immer an seinem Herzen zu empfangen!

(Der Schluß folgt).




Romaisches Liebeslied [1].







     Ach niemals war die Liebe doch
Ganz ohne Schmerz und Zweifel noch,
Der stets mein Herz so seufzen macht,
Wenn dunkel stürmen Tag und Nacht.

5
     Bei keinem Freunde, der mich höre,

Verschmacht’ ich unter dieser Schwere,
Das Liebe Pfeil’ hat, wußt’ ich früh,
Ach, auch vergiftet fühl’ ich sie.

     Ihr freien Vögel, flieht das Netz,

10
Daß[WS 5] Lieb’ um eure Nester setzt,

Sonst wird, von ihrer Gluth getrieben,
Sich euer Herz und Hoffnung trüben.

     Ein Vogel war ich, weit und breit,
Flog ich schon oft zur Frühlingszeit,

15
Doch ach, gefangen in der Schlinge

Schlag’ ich noch flatternd meine Schwinge.

     Wer hoffnungslos, wer niemals liebte,
Fühlt nicht, noch kennt er, was mich trübte[WS 6],
Die kalten Blicke überqueer’

20
Des Zornes Blitz vom Liebchen her.


     Im schönen Traum glaubt’ ich dich mein,
Nun sterb’ ich und der Hoffnung Schein,
Wie schmelzend Wachs, wie welke Blüthen,
Fühl’ ich mein Leid und dein Gebieten.


  1. Pouqueville hat uns zuerst mit diesem reizenden Liede Bekannt gemacht. Das Original begleitet von einer Uebersetzung in Prosa findet sich in dessen Voyage[WS 3] en Morée tom 1. p. 282 Ukert hat im[WS 4] Gemälde von Griechenland S. 182 eine deutsche Uebersetzung in Prosa mit getheilt. Eine metrische Nachbildung liefert Lord Byron (works v. 4). deren Rhytmus der gegenwärtigen zum Grunde gelegt ist.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Buche. Siehe Druckfehler S. 140
  2. Vorlage: wunderfreundlichem. Siehe Druckfehler S. 140
  3. Vorlage: Vogage. Siehe Druckfehler S. 140
  4. Vorlage: ein. Siehe Druckfehler S. 140
  5. Vorlage: Das. Siehe Druckfehler S. 140
  6. Vorlage: tübte. Siehe Druckfehler S. 140
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_114.jpg&oldid=- (Version vom 31.8.2018)