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25
     Mein Lebenslicht, o sprich, warum

Den zorn’gen Blick, den Mund so stumm?
Mein Liebesvogel, mein Gespiele,
Kannst du mich hassen, wenn ich fühle?

     Mein Aug’ wie Winterströme strömt,

30
Wer tauscht mit mir? kein armer kömmt!

Mein Vogel, komm, Ein Laut von dir
Belebt schon deinen Freund in mir.

     Mein schaudernd Blut, mein wüstes Hirn, –
Ich martre mich noch schweigend gern,

35
Den kleinsten Schmerz, du fühlst ihn nicht,

Es hüpft dein Herz, wenn – meines bricht.

     Reich mir das Gift, sei nur nicht bange,
Du mordest Einmal, doch nicht lange,
Mein Leben lebt’ ich zu verfluchen,

40
Und liebe, langsam Mord zu suchen.


     Mein blutend Herz, mein Busen, lullt
Dich noch zur Ruhe die Geduld?
Nein, allzuspät seh’ ich es ein,
Lust muß des Leidens Bote seyn.

Dr. E. Iken.




Ueber altdeutsche Gemälde.




(Fortsetzung).

Ein Uebergang von diesem Bilde zu einem andern großen Flügelgemälde, die Familien Christi und der Apostel vorstellend, ist offenbar. Das Colorit finden wir hier fast eben so hell, nur weniger blühend als auf den Außenflügeln jenes, die Behandlung überhaupt ebenso; aber der Typus der Figuren und Köpfe ist fast ganz der niederländische, wobei jedoch in den weiblichen Gesichtern, wie auf jenen, etwas von der alten Form und ebenfalls eine gewisse Aehnlichkeit unter einander übrig geblieben ist. Dieß[WS 1] vorzüglich wieder auf den Außenflügeln, wo eine Menge Heilige, vor denen Donatare knieen, neben einander stehen; während der altniederländische Typus nirgends auffallender ist als in dem Joseph auf dem inneren Bilde, der sich auf eine Lehne des Throns stützt, auf welchem Maria mit dem Kinde und Elisabeth sitzen, und mit seinem treuherzigen graubärtigen Gesichte, im rothen Gewande mit schwarzem Kragen, wie eine Copie aus einem Eyckschen Bilde aussieht. Dagegen erinnern andre Figuren lebhaft an weit spätere Niederländer; so ist der heilige Dionysius als Bischof mit einem Schädel auf der Hand, fast genau wie auf dem Flügel des Todes der Maria. Die Landschaft ist hier besser als auf dem vorigen Bilde, der Goldgrund weggelassen und nur der Thron mit Gold und ziemlich flach und unnatürlich gemalt. Die Kinder, besonders einige der kleinen Apostel mit ihren Passionswerkzeugen, sind mittelmäßig; unter den übrigen Figuren manche sehr anmuthige und ausdrucksvolle. Harmonie ist in dem Bilde wenig, doch erfreut es das Auge. Wir glauben mit Sicherheit, daß auch dieses wie das vorige in Köln gemalt sey, aber etwa frühestens um 1500. Die meisten dieser und hierher gehöriger Werke, haben neben dem Golde auch Theile die mit der Wachspresse gearbeitet sind.

(Die Fortsetzung folgt.)




Der Mönch und die Jungfrau.




Sage.

     Was suchet ihr, zarte Jungfrau doch
In unsrem Kloster, so steil und hoch? –
„Euer Wald so grün, eure Kirche so licht
Wen rufen sie zum Gebete nicht.?“

5
     Der Mönch bald führt sie zur Waldcapell,

Sie knieen zusammen auf einer Stell,
Die Jungfrau hebt zum Himmel den Blick
Der Mönch, er schaut nach der Maid zurück.

     Und in des Mägdleins Herzen steht

10
Als wie ein Engel, ein lichtes Gebet,

Und in des Bruders finstrer Brust
Da regt sich der lüsterne Satan in Lust.

     Sie gehen zusammen hinaus in den Wald,
Wie leuchtet der Jungfrau reine Gestalt;

15
Der Bruder neben ihr, schwarz und schwer,

Geht als ein dunkler Schatten einher.

     „Es ist ein heißer’ schwüler Mittag,
Die Sonn’ euch, Jungfrau, stechen mag!“
– „„Ach nein, mir deucht ihr Strahl so lind,

20
Es mildern die[WS 2] Bäum’ ihn, es kühlt ihn der Wind.““


     „Wir wollen uns freun, ihr liebliche Maid,
Es rauschen die Bäume vor Lieb’ und vor Freud.“
– „„Wohl säuseln sie immer leis und sacht
Zu Gottes Preise, bei Tag und bei Nacht!““

25
     „Die Blätter, die Gräser, wie rothes Blut,

Seht sie brennen, sie brennen in Liebesglut;“
– „„Die Blätter leuchten, sie brennen gar nicht,
Euch aber glühet so wild das Gesicht!““

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Daß. Siehe Druckfehler S. 140
  2. Vorlage: hie Siehe Druckfehler S. 140
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_115.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2020)