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auch umarmen wollte, stieß er ihm das Schwert in die Brust. Die Frau Königin lachte laut auf - Fredegunde lag ohnmächtig am Boden - und Franz hatte noch so viel Kraft daß er in den Eichwald sprengen konnte. Die bleiche Göttin Luna, senkte ihre blonden Locken durch das dunkle Eichengrün und umzog damit das todtenähnliche Antlitz Franzens. Er stieg von dem treuen Zelter und sank in die Thauperlen, die am Boden blühten - sein Blut floß in großen Strömen - der warme Hauch, der aus der geöffneten Brust quoll, stieg zu dem blauen Himmelsbogen wie Opferdampf auf. Das schneeweiße Roß weinte heiße Thränen, als es das Ende seines Herrn nahe sah, und der Falke auf Franzens Brust blicke wehmüthig bald in des Ritters brechendes Auge - bald in die ziehenden Wolken. Es war Mitternacht - die Geister gaukelten munter im Forste umher - Franz wollte den letzten Athemzug thun - da stand Fredegunde in heiliger weißer Gestalt zu seinem Haupte. Sie berührte mit den brennenden Blüthen ihrer Lippen, den bleichen Schnee auf des Ritters Munde und sog seine Seele ein in ihr liebendes Herz - dann drückte sie ihm unter endlosen Thränen die dunkelblauen Augen zu. Sie küßte den Falken und das treue Roß; sie zog den Zauberring von Franzens Hand - hielt ihn an ihren schwanenweißen Hals und flog als silberblauer Vogel in die schwarzen Schatten des Waldes, wehmüthig singend!“

Ade, Ade
Der kalte Schnee
Fiel auf seinen rothen Mund
In kühler Stund!
O weh, o weh
Ade Ade! -

Den silberblauen glänzenden Vogel kennt jedes Kind.




Volkslieder.







1. Romanze.

Mündlich aus Schlesien.[1]

     Ich stand auf hohen Bergen
Sah hinunter ins tiefe Thal,
Ein Schifflein sah ich schwimmen[WS 1]
Darin drei Grafen saßen.

5
     Der Jüngste von den Grafen

Der in dem Schifflein saß,
Gab mir ein mal zu trinken
Guten Wein aus seinem Glas.

     Was zog er von dem Finger?

10
Ein goldnes Ringelein,

„Nimm hin du hübsche du Feine
Es soll mein Denkmal sein.“

     „Was soll ich mit dem Ringlein thun
Ich bin ein junges Blut

15
Dazu ein armes Mädchen

Hab weder Geld noch Gut.“

     „Bist du ein armes Mädchen
Hast weder Geld noch Gut
So gedenke an die Liebe

20
Die zwischen uns beiden ruht.“


     „Ich gedenke an keine Liebe
Ich gedenke an keinen Mann
Ins Kloster will ich ziehen
Will werden eine Nonn.“

25
     „Willst du ins Kloster gehen

Willst werden eine Nonn’
Ei so will ich die Welt durchreiten
Bis letzt ich zu dir komm.“

     Er sprach zu seinem Reitknecht,

30
„Sattle mir und dir ein Pferd

Wir wollen die Welt durchreiten
Die Lieb’ ist reitenswerth.“

     Und als er vor das Kloster kam
Ganz leise klopft er an:

40
„Wo ist die jüngste Nonne

Die erst ist kommen an?“

     „Es ist keine ’rein gekommen
Es kommt auch keine ’raus.“
„Ei so will ich das Kloster anzünden

45
Das schöne Gotteshaus.“


     Sie kam herausgetreten
Ganz weiß war sie gekleid’t
Ihr Haar war ihr verschnitten
Zur Nonne war sie bereit’t.

50
     Sie hieß den Herrn willkommen

Willkommen im fremden Land,
„Wer hat euch her beschieden
Wer hat euch hergesandt?“

     Sie gab dem Herrn zu trinken

55
Aus ihrem Becher, Wein,

In zwei, drei viertel Stunden
Sprang ihm das Hertze sein.


  1. Zwei andre Recensionen stehen im Wunderhorn 1. 70. 257; vieler schönen Züge wegen, die dort fehlen, schien die vorliegende die Mittheilung zu verdienen. Dr. H. v. Schrödter.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: schwimmeu
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_118.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)