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Verschiedene: Wünschelruthe


     Sie nahm des Herrn sein’n Degen
Und grub ein Gräbelein,

60
Mit ihren zarten Händen

Legt sie ihn selber hinein.

     Mit ihren zarten Händen
Zog sie den Glockenstrang,
Mit ihrem rothen Munde

65
Sang sie den Lobgesang.




Ueber altdeutsche Gemälde.




(Fortsetzung).

Werfen wir nun von hier einen Blick auf das erwähnte herrliche Gemälde, den Tod der Maria, das sich bekanntlich in der Boissereschen Sammlung in Heidelberg befindet[1], indem wir in der Wallraffschen Sammlung durch eine kleinere zum Theil veränderte Darstellung desselben Gegenstandes, von demselben Meister oder einem seiner Nachahmer, erinnert werden, so können wir nicht umhin uns zu wundern, wie sehr in Köln selbst das Abweichen von jener alten Malerei, die man die traditionelle nennen kann, der Kunst geschadet; indem von allen den kölnischen Bildern, die den niederländischen Einfluß verrathen, sich dem ganzen Geist und innern und äußern Wesen nach kein einziges auch nur mit diesem kleinen Gemälde vergleichen läßt, welches doch unendlich tief unter dem großen Prachtwerke in Heidelberg steht. Wenn wir nun neben jenen Bildern nicht glauben können, daß dieses in Köln entstanden sey, so ist doch eigen, daß der Einfluß, den es, für eine kölnische Familie gemalt, dort haben mußte, sich so sehr auf einzelne nachgeahmte Figuren und Köpfe beschränkt, und so wenig auf den ganzen Geist und die großen erst von den Niederlanden ausgegangnen Fortschritte in aller äusserlichen Naturnachahmung erstreckt habe. Und obgleich wir auch in dem Tode der Maria nicht den heiligen reinen Sinn der Kunst wie bei Eyck finden, so ist doch darin bei der Bekanntschaft mehrerer Schulen, unter welchen sich die italiänische nicht verläugnen läßt, in ihrer Verschmelzung zu einem eigenthümlichen bestimmten Charakter das Unbegreifliche geschehen. Dieß hat denn zugleich einen schönen Einfluß auf das Kunstreiche in der Composition, der Gruppirung und der Harmonie der Farben geäußert, welches sich hier vorzugsweie vor allen deutschen Bildern zeigt, sollte gleich ein Theil der alten Unschuld und des ersten liebevollen Umfassens der Natur manchen kleinen Kunstgriffen gewichen seyn, wie es der Kunst im Laufe der Zeit ja immer geht. - Auf den Meister dieses Bildes nun mit einiger Gewißheit zu schließen, möchte noch nicht leicht möglich seyn, da wir doch nur mit entfernter Wahrscheinlichkeit unter den großen Niederländern jener Zeit wählen könnten. Die Jahrzahl 1515 auf dem kleinen Gemälde macht es nicht glaublich daß Schoreel (der nach allen Nachrichten 1495 geboren ist) der Urheber sey, am wenigsten wenn das kleine Bild gar eine Nachahmung seyn sollte; außerdem finden wir in der Sammlung des Pastors Fochem ein kleines liebliches Gemälde, den jungen Tobias mit dem Engel vorstellend, mit dem Namen, Joannes Scoreel ex Hollandia, (worauf freilich nie zu viel zu geben ist); und dieses ist von durchaus verschiedenem Charakter, ganz in italiänischem Sinne aufgefaßt und dargestellt, auch die Landschaft die Kenntniß der italiänischen Natur deutlich beurkundend, welches wir auf dem Tode der Maria nicht so gefunden haben. Man wird doch diesen nicht für ein Probestück aus der Jugend des Malers hallen? - Uebrigens weiß man ja nicht gewiß, ob überhaupt noch irgend ein ächtes Werk von Schoreel vorhanden ist.

(Die Fortsetzung folgt).




Winterlied.







     Hoch läßt die Sonne fliegen
Ihr goldenes Panier,
Und hilft mit Macht besiegen
Die trüben Blicke dir!

5
Thu’ auf das düstre Gitter,

Sei hin aufs Feld gekehrt,
Die Sonne schlägt zum Ritter
Dich mit dem goldnen Schwert.

     Sie reicht[WS 1] dir goldne Schienen,

10
Leiht dir ein Stralenroß,

Beut Schild und Helm dir, dienen
Will dir ihr Goldgeschoß,
Und goldne Schaaren fliegen
Herab dir zum Geleit:

15
Damit geh’ zu besiegen

All’ deine Traurigkeit.

     Dann auf dem Roß von Stralen
Zieh’ frisch und fröhlich hin,
Gieb Gruß den Winterthalen

20
Mit deinem Frühlingssinn,
  1. Eine Beschreibung des Bildes von der Fr. v. Helwig s. in Schlegels deutschen Museum Bd. 2.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: reiht. Siehe Druckfehler S. 144.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_119.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)