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Verschiedene: Wünschelruthe

Es wird keiner arm, als der nicht rechnen kann.




Hans Wohlgemut.
Eine Erzählung aus dem Munde des Volkes.




Hans Wohlgemut hatte bei seinem Herrn sieben Jahr gedient, und als er endlich nach Hause ziehen wollte, bekam er zum Lohne ein Stück Gold, so groß wie sein Kopf. Das trug er denn in ein Sacktuch eingewickelt auf der Schulter, ohne sonderliche Beschwerde, denn es fehlte ihm eben nicht an Kräften. Wie er nun des Weges dahin schlenderte und bedachte, wie er jetzt ein großer Herr sein würde, wonach immer sein Herz getrachtet, kommt ein Reiterknecht entgegengetrabt auf einem stattlichen Rosse. Hans blieb stehen und gaffte ihn an; der Reiter auch, und wechselseitig fragen sich beide, woher und wohin. Ja lieber Herr Reiter, antwortete Hans, unser einer ist schlimmer daran als ihr. Bei euch geht es zu Rosse, bei uns zu Fuße. Hab’ ich doch mein Lebtage noch nicht auf einem Pferde gesessen; bei meiner Treu, das Reiten muß ein herrliches Ding sein! – I, lieber Sohn, sprach der Reiter, wir können tauschen! Gib her das Stück Gold, und nimm dafür das Pferd. – Ach, mit tausend Freuden, rief der andre, sprang und klatschte in die Hände, und es fehlte nicht viel, so wäre er dem Pferde wie dem Reiter um den Hals gefallen. Seelenvergnügt trennten sich die Wandersleute; ja aus bloßer Erkenntlichkeit half noch der Reiter unserm Hans auf den Braunen hinauf und gab ihm die Zügel fest in die Hände.

So ging es denn ein Weilchen recht bequem. Wie aber Hans zu schnalzen anfing und dabei hopp hopp, rief, setzte sich das Pferd in gehörigen Trapp, und ehe sichs der kühne Reiter versah, lag er ziemlich unsanft in dem Graben, der die Aecker von der Landstraße trennte. Ein Bauer, der eine Kuh vor sich her trieb, kam herbei, hielt das Roß an, und wollte dem Gefallenen Beistand leisten. Die verwetterte Mähre! fluchte Hans und schnitt ein gar jämmerliches Gesicht, während er sich wieder auf die Beine brachte. Gott seis gedankt, daß ich noch lebe und gesund bin! Reite in Zukunft, wer Lust hat, ich habe sie bei meiner armen Seele nun und nimmermehr! Da lobe ich mir eure Kuh. Hinter der läßt es sich ganz gemächlich ziehen und, was das schönste ist, Milch, Käse und Butter hat man obenein vollauf alle Tage. Ei nun, tauschen wir, sprach der Bauer, gebt mir das Pferd, ich gebe euch die Kuh. Bei allen Heiligen, rief Hans, das ist ein gefundener Handel! Ich will euch alle Tage in mein Gebet einschließen. Topp, guter Alter. Hier griff er nach der Kuh, und der Bauer schwang sich auf das Pferd und ritt im Galopp nach Hause, aus Furcht, daß unsern Hans der Tausch noch gereuen könnte. Die Sache war anders. Hans freute sich innig, wie er fortan das Brot nicht mehr trocken verzehren, sondern Butter und Käse dazu haben würde. In der Freude ließ er sich im nächsten Wirthshause ein halbes Glas Bier einschenken und aß sein Mittags- und Abend-Brot auf Einmal auf. Dann trieb er seine Kuh weiter, immer nach dem Dorfe seiner Mutter zu. Die Hitze wurde drückender, je näher der Mittag kam. Hans befand sich mitten in der Haide und hatte wol noch ein Stündchen bis zum nächsten Dorfe. Die Zunge klebte ihm am Gaumen. Wie wärs, fiel ihm endlich ein, wenn du die Kuh melktest? Du bindest sie an einen Baum und läßt dir die Milch in deine Mütze laufen. – Gesagt, gethan. Die Kuh wurde angebunden, aber kein Tropfen Milch kam zum Vorschein, und wie er sich ungeschickt anstellte, gab ihm das Thier mit einem der Hinterfüßen einen solchen

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_129.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)