Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 135.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Wünschelruthe


Sie, daß ich meine Welt mir nicht schaffen konnte, daß ich mit meinem Theater keine Phantasie im Hirne eines Poeten, sondern eine historisch begründete Thätigkeit bin wie die Leineweber in manchen Provinzen. Wollen die Leute keine Leinewand kaufen, keine Schauspiele sehen, müssen wir Hungers sterben, denn wir sind zu alt geworden, um noch zu etwas Andrem zu taugen, die Theaterliebhaberei hat sich aber überall gemindert, obgleich so viele neue Theater erbaut werden. Sie brauchen nur die Menschen in den Zwischenakten zu hören, ob sich noch wie sonst so viele Enthusiasten für Stücke, oder Schauspiele, so viel kritischer Eifer zeigt; die alten Theaterliebhaber sind ordentlich an ihrem Reden von der jüngeren Welt zu unterscheiden, die das Theater nicht höher aufnimmt, als eine Redoute, oder als eine Parade. Manche Aufmunterung fehlt dadurch unsern Schauspielern, den Direktoren wächst aber der Verdruß über den Kopf: das Publikum ist gleichgültig gegen des Beste und die Schriftsteller sind enthusiastisch für ihre unbedeutendsten Arbeiten eingenommen, sie schreiben jeden schlechten Erfolg den falschen Anstalten des Direktors zu. Ja, will der Direktor etwas nicht aufführen, aus Ueberzeugung, daß es nicht gefällt, so drohen ihm die Schriftsteller mit Schimpf und Duellen, mit Fluch und Thränen. Solch ein Spas wird uns vielleicht morgen beym Kapellmeister mit dem Grafen Pech unterhalten, der sich durchaus mit mir schießen will, weil ich keins seiner Stücke aufführe. Sie müssen eine Pistole mit Pulver laden, er muß mich scheinbar todtschießen, Postpferde sind bereit, er muß sich flüchten und wir sind ihn los. Einen verdammten Streich könnten Sie mir spielen, wenn Sie eine Kugel in die Pistole steckten und Sie wären es fähig, denn während ich aus Muthwillen Sie zuweilen necke, nehmen Sie wie Laertes ein vergiftetes Rapier und fahren mir mit der Wagendeichsel des Sonnengotts in den Leib und verbittern mir mein täglich Brodtgeschäft. Spas ist Spas, aber dem Nachtwächter das Horn versiegeln ist kein Spas mehr. Nun zur Versöhnung mit Ihnen ein Geheimniß, das Sie mit mir in gleichem Interesse verbindet. Wenn der Teufel nicht meine Augen zu seinem Spielplatz mißbraucht hat, so ist unsre Psyche gestern in Mannskleidern und zwar in ein Paar grauen Strickhosen, welche in die Schuhe reichten, in einem kurzen altdeutschen schwarzen Rocke, der sehr zierlich mit Sammet besetzt war, ein dunkelblaues Baret auf dem Kopfe bey Distelfink auf dem Chor gewesen, als er gestern für den kranken Organisten in der Surrogatenkirche spielte. Bey ihrem Stolze und ihrer Bequemlichkeit eine ungeheure That. Was hat ihr das Bürschchen angethan? Können Sie es zugeben, darf ich es leiden, daß die ohnehin schon so vielfach getheilte Zuneigung noch einmal im Kern getheilt werde, es bleibt am Ende nichts daran.

Erfinden Ew. Wohlgeboren ein Mittel gegen die Liebe, wenn der Mensch älter wird und nicht mehr gefallen kann, Sie werden dadurch sehr verpflichten Ihren ergebensten

Direktor.
(Die Fortsetzung künftig).




Das Kätzchen und das Mäuschen.




(Fortsetzung).

An dem Abend, wie Gottfried schon von ferne die Lichter in der Reichsstadt übers Feld blinken sah, und oben darüber die goldenen Sterne, war Helene mit anderen Mädchen bei der Nachbarin zu Rocken gegangen, es ward mancherlei Mährchenhaftes und Gespenstisches erzählt, und da unter andern von der weißen Maus die Rede war, die Helenen gehörte, hub eins der Mägdlein an: meine Großmutter hat ein alt schön Buch von allerhand Wunderdingen und Zaubereien, daraus müssen wir des Sonntags Abends von Zeit zu Zeit vorlesen; in dem Buche steht auch eine Geschichte von einer Maus, das ist aber keine hübsche weiße Maus gewesen, sondern eine rothe Maus, die ist einer schlafenden Magd zum Munde herausgekrochen, und das hat einem Knecht im Hause gegolten, den hat sie durch ihre Zauberei zur verbotenen Liebe bewegen wollen, und die rothe Maus ist nichts anders gewesen als ihr Herz, das hat sie im Schlaf zu ihrem Buhlen hingesendet, darum ist sie auch ganz leblos befunden worden, wenn man sie schlafend angerührt; und als man sie eines Abends, da sie auf der Bank hinter dem Ofen unter dem übrigen Gesinde eingeschlafen, und die rothe Maus wieder zum Vorschein gekommen, bei Namen gerufen, ist sie starr und todt geblieben und nicht wieder ins Leben zurückzubringen gewesen, denn ihr Herz war noch nicht wieder in ihre Brust zurückgekehrt. - Mehrere der jungen Spinnerinnen lachten über die Geschichte und schalten das Mädchen aus, daß es nichts Besseres erzählt habe; die Erzählerin hingegen rief aus, lacht nicht, ich wollte wohl lieber, ich hätte etwas Anderes erzählt, denn seht ihr nicht, wie Helene verblichen ist und zittert, sie fürchtet sich nun vor der weißen Maus. - Helene hatte wirklich die Spindel aus der Hand fallen lassen und bebte an allen Gliedern. Die Gestalt des Rattenfängers schwebte ihr furchtbar vor, und sie entsetzte sich über die Gedanken, die bei der Geschichte von der rothen Maus in ihr aufstiegen. Eine

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_135.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2018)