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Verschiedene: Wünschelruthe


und neckten sich mit dem Echo des Thals, das am Tag überhört, jetzt um so lauter erwachte. „Ei, wofür hast du denn die lustigen Hörner mit herausgenommen, wenn du so karg und geizig damit bist,“ sagte Antonie zu ihrem Bruder - „was gilts, sie gäben die schönste Serenade in diesem reizenden Berggeländ, wo sonst manch zärtliche Klage, mancher Minnesang zu all den stolzen Burgen auffliegen mochte!“ - Holm stimmte ein und die Musik im folgenden Nachen fing nun mit klagenden Rufen an, die wehmühtig mild zurückgegeben aus den Gebirgsgründen wiederkamen, und immer gewaltiger schwoll die Fluth der Töne, und schauriger klangs aus der Ferne zurück; und alte längst versunkene Erinnerungen keimten und sproßten in jeder Brust, ja ein trunkener phantastischer Geist kam über die ganze Reisegesellschaft.

Jezt beugte der vorderste Kahn um eine Krümmung und zog nun leis, fast unbeweglich, unter der schroffen Raubzinne hin, die vormals von den Landschaden bewohnt, mit mächtigem Wallring niederdrohte, als wolle sie sich im nächsten Monat vernichtend in den Stromspiegel stürzen; da riefen die Hörner recht ausfordernd hinan, den Burgherrn aus dem Todesschlummer weckend - und blitzschnell kam ein Ton zurück, der Allen das Haar auf dem Haupte sträubte, den Pulsschlag im Herzen stocken ließ. Kein leeres Echo, kein Wiederhall: „Ich komme, Ich komme!“ riefs vernehmlich wieder und plötzlich erschien in schwarzer Waffentracht eine drohende Mannsgestalt am Ufer und stieß die riesige Lanze in die Fluth, mit grausigem Ton seinen Stromzoll begehrend. „Wir sind verloren“ - jammerte der Schiffer, indem er das Zeichen des Kreuzes schlug - „Ich kenne den furchtbaren Mahner schon!“ und, alle Kraft seines Arms aufbietend, stieß er den Kahn noch vom Ufer los, wo Alles dem Unhold verfallen wäre. Doch alsbald schrie auch Antonie auf, schwankte vom Sitz in die Fluth hinaus und versank in der Tiefe. Gräßlich lachend, seiner Beute gewiß, war auch der Nachtspuk verschwunden, - doch Edmund warf sich Antonien nach und als sie zum erstenmal wieder sichtbar wurde, ergriff er sie mit liebender Kraft und rettete sie vom sichern Verderben. Lange lag sie starr und bleich im Kahn, als sey sie bereits hinüber geschlummert und Edmunds Schmerz erreichte den Gipfel: „Ach sie ist tod, sie ist tod!“ rief er zerknirscht „Mein Leben gegen ihr’s, wenn sie erwachte!“ - Und kaum war dieser Laut von seinen Lippen, so zuckt’ es um der Erblichenen Mund, sie schlug die herrlichen Augen auf, seufzte noch einmal recht aus Herzens Tiefe und, als habe sie Edmunds leztes Wort gehört, schlang sie die Arme traut um seinen Nacken und weinte recht schmerzlich an seiner Brust. Lautauf jauchzte Holm, der wie vom Schlag getroffen bisher in der Tiefe des Kahn gelehnt, - laut auf jauchzte die ganze Gesellschaft und rühmte und priest ihres Retters Muth, sein Leben für ihr’s in die Schanze schlagend; doch stumm und zerstreut und wie aus tiefem Traume sah dieser lange die Umstehenden an, - drauf sprach er langsam in sich hinaus: „Dankt mir nicht, ich konnte nicht anders!“

Die Fortsetzung folgt).




Jahr und Leben.
Vier Elementarlieder.




II.
Feuer.
Sommers Kraft.

Die Sonn’ hebt von der Erd’ die dunklen Schleier
Und strahlet durch der hohen Halme Spitzen,
Die Schatten spielen aus dem stillen Weiher
Mit Funken die mit Beben drüber blitzen,

5
Die Erde athmet tief aus allem Grün,

Und sieht hinauf des Lebens Mittag ziehn.

Der Mensch hat alle Blüthen nun gefühlet,
Die Frucht hängt nahe über seinem Herzen,
Da ist es innerlich so recht gekühlet

10
Weil im Besitz versanken Sehnsuchts-Schmerzen,

Die Blüth’ zur Erde um die Frucht zerfiel,
Die Lieb versank im Leben, ihrem Ziel.

Doch daß der Geist nicht ganz zur Erde blicke
Rauscht mit den Flügeln um ihn her der Himmel,

15
Wie er die Frucht und Menschen hielt im Glücke

Wiegt ihre Kraft er nun im Sturmgetümmel,
Die Blitze schwimmen durch die Wolken-Fluth,
In ihrem Augenblick das Glücke ruht.

Im Sturm fährt streng der Donner durch die Lüfte,

20
Zielt mit des Hagels scharf Geschoß die Aehren,

Des Menschen Zukunft steht auf dunkle Grüfte,
Daß sie nicht sink’, muß seine Kraft ihr wehren,
Verlohren ist ihm schon des Lieben viel,
Da hebt am Himmel sich vor ihn das Ziel.

25
Da spannt der Vater drüben seinen Bogen,

Der siebenfarbig alten Glückes Zeichen,
Der Liebe Pfeil ist von der Sonn’ geflogen
Und trifft das Herz, da muß der Schmerz entweichen,
Das ird’sche Glück sank in des Unglücks Schooß

30
Im Abendroth blüht ihm des Himmels Ros’.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_159.jpg&oldid=- (Version vom 8.5.2018)