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Verschiedene: Wünschelruthe


Das Vaterunser.




Do was ein gud Jungfrauwe, die plage sere iniglichen zu beden in eim Winckel in der Kyrchen. Das hatte gemercket ein heilig Bischoff; der sach, das von dem Hymmel qwam ein wyß Tube vnd sast sich off der Jungfrawen Schoiß, vnd drancke alle die Trene, die dy Jungfrauwe weinte in yrem Gebede. Do nam der Bischoff die Jungfrauwe uß, vnd fragete sie, was ir Gebet were. Sie sprach: sie enkunde kein Gebet, dan das Pater noster. Do sprach der Bischoff: Dochter! Ich wil dir geben einen Selter, vnd bevelen dir, das du alle Tage salt uberlesen. Sie nam den Selter, vnd vberlase yn alle Tage. — Nach der Zyt ersach der Bischoff die Tube nit me komen, als er vor gesehene hatte. Do sprach der Bischoff zu der Jungfrauwen: liebe Dochter! (uberlesest du den Selter?) — Sie sprach: lieber Here, ich lesen vnd sprechen vn alle Tage uber, also ir mir bevolen hant. Ane ich entfole nit alsolich Inigkeit, also ich plag zu thun in dem Pater Noster. — Do nam er ir den Selter wider, vnd beval ir das sie sprechen solte das Pater Noster, also sie plag zu thun.

(Nach der Zyt qwam die wys Tube wider, vnd dranck alle die Trene, die dy Jungfrauwe weinte in yrem Gebede). —

(Aus der Seele Troist. H. S. aus dem Anfang des 16.ten Jhdts in meinem Besitz. — F. W. Carove.)




Litteratur.




Francesco Petrarca’s italienische Gedichte, übersetzt und mit erläuternden Anmerkungen begleitet von Karl Förster, Profess. an der königl. Ritterakademie zu Dresden. Erster Theil. Leipz. und Altenbg. bei Brockhaus. 1818

Es war wohl natürlich, daß das deutsche Sonett vielfach nach dem Boden zurückblickte, von dem seine Blüthe zu uns verpflanzt worden war, und so hat es schon im siebzehnten Jahrhundert manche Uebertragungen italienischer Sonette gegeben, worunter die von Abschatz nahmhaft gemacht zu werden verdienen. Seit Bürger, mit etwas Nachlässigkeit, aber übrigens mit eigenthümlichem Gelingen, sich zu mehreren Nachbildungen aus Petraca gewendet, dessen Poesie ein blumenumgebenes Marmorbecken ist, worin die Perlenflut des Sonetts und der Canzone als in einem Mittelpunkt sich sammelte: haben sich manche neuere Bestrebungen gezeigt, die Sonette und Canzonen Petrarea’s zu verdeutschen; und wie uns einzelne treffliche Stücke dieser Art durch A. W. v. Schlegel, Gries und Andere zu Theil wurden, sahen wir zugleich die unendliche und hie und da vielleicht nie gänzlich zu besiegende Schwierigkeit solchen Unternehmens ein, und die Mühsamkeit der Arbeit erwägend, konnte man es zunächst denkbar halten, daß sich einst aus allen diesen einzelnen Versuchen ein Ganzes zusammensetzen und so einmal aus den verschiedenen Gedichten Petrarca’s, deren Uebersetzung diesem oder jenem besonders geglückt, eine gediegene und befriedigende Sammlung sich gestalten lassen würde. Aber der deutsche Fleiß und das deutsche Umfassen haben sich einmal jezt mit Liebe und Muth in das romantische Feld der Uebersetzungen gewagt, und streben dort Lorbeer auf Lorbeer zu pflücken. So hat es denn auch ein deutscher Liebhaber der Poesie Petrarca’s unternommen, uns dessen sämmtliche italienische Gedichte in allen Maaßen und Reimspielen des Originals, erfreulich, sinnig und fleißig wiederzugeben, und der erste Theil dieses mit lobenswerthen Einleitungen und Anmerkungen versehenen Unternehmens liegt vor uns. Zur Vergleichung dienlich, und in jeder Hinsicht erwünscht und zweckmäßig, ist der italienische Text gegenüber fortlaufend gedruckt. Mit Liebe und nicht ohne zarten Sinn und dichterisches Eindringen in den Biumenkelch einer so reizenden und bedeutenden Poesie, hat der Uebersetzer der Biene gleich gearbeitet, und uns des gediegenen und lauteren Honigs nicht wenig herübergebracht. Der erste Band enthält die größeren Canzonen, und die Sonette bis zum 150ten. Der zweyte soll, nach des Verf. Verheißung bald erscheinend, die übrigen, so wie neben den Sestinen, Madrigalen und Balleten auch die Triumphe enthalten. - Wenn man die vielseitige Schwierigkeit erwägt, den ganzen Petrarca ins deutsche zu übertragen, so wird man gegen das, was diese Herausgabe in den Wendungen, Ausdrücken, Reimen u.s.w. zu wünschen übrig läßt, nothwendiger Weise billig seyn müssen, und nur bey dem strenger verweilen, was in Hinsicht des Sinnes unbefriedigend geblieben. Vor 30 Jahren hätte man das ganze Unternehmen für fast unausführbar gehalten, und es dem einer vollständigen Uebersetzung des Dante in deutschen Terzinen an die Seite gestellt, die nun auch versucht worden ist. Der eigentlichen Kritik bleibt es überlassen, das Ganze mit vereinzelndem Blicke durchzugehn. Es sey hier genug, dem achtbaren und von seinem Dichter erwärmten Uebersetzer die wo mögliche Vermeidung mancher allzu unrichtiger und schleppender Reime, wie Schweigen und Zeichen, Lande und sandte, - die sich nicht selten wiederholen und daher von ihm mit zu großer Nachsicht gehegt werden - anzuempfehlen. Daß hie und da durch die gewählten Wendungen und Auswege dem Gedanken eine Fessel angelegt ist, kann man nicht läugnen; aber wer ermißt, was es sagen will, im Deutschen an vierzehn italienische Dichterzeilen gebunden zu seyn, und den Versen der Canzonen und ihren nicht weniger verschlungenen und oft noch künstlicheren Reimen nachzufolgen; der wird auch hierin dem bescheidenen Uebersetzer Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Er möge uns bald mit der Vollendung dieses seines schätzbaren Unternehmens erfreuen, und Dank und Anerkennung seinen Fleiß belohnen.

L.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_160.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2018)