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Da trieb es ihn von hinnen.

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     Da zog es ihn mit Kraft

     Zu fernen Bergeszinnen,
     Zu fremder Wanderschaft.

Wer weiß, welch schönre Lichter
     Aus Augen still und lind,

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     Welch schönere Gesichter

     Ihm dort erschienen sind?

Doch kehrt er auch im Leben
     Nie wieder an mein Herz:
     Der Wonne mir gegeben,

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     Dem dank' ich auch den Schmerz!“

„O du unaussprechlich treue Seele, wie lohn’ ich dir für so viel Liebeshuld!“ rief Edmund, in ihre Arme sinkend. Es war ein seliger Augenblick: des Mädchens süßes Weh, des Jünglings Entzücken - und der hereinstralende volle Mond, und die Goldsäume der Abendröthe! - Da kam auch Mariens Vormund hinzu, sich über Edmunds unversehne Heimkehr und den herzinnigen Willkomm freuend; und indem er langsam näher trat, sprach er in humoristischer Laune. „Gott sey gelobt, daß du nur wieder unser bist, ja auch dein Bräutchen noch lebendig findest, die fast vor Liebeswehen verging! Bleib nun aber auch für immer hier und laß die Schweiz bereisen wer da wolle. Verliebten blüht allerwärts ein Friedensthal und du mir deinem heißen Blut hättest ja ohnehin alle Seen vertrocknet, und alle Gletscher zu Strömen gemacht!“ Er drückte schweigend Edmunds Hand, doch ehe dieser - bey dem der Moment entschied - sich seinem Wunsch gemäß äußern konnte, trat Marie gleichsam begeistert auf, und bestand mit ungewöhnlichem Ernst auf Edmunds einmal beschlossner Reise. „Wir sind uns Beide diese Prüfung schuldig“ sprach sie mit klarer Besonnenheit - „denn unsre Liebe ist noch zu neu und kann sich nur in Versuchung läutern! Wie sie in meinem tiefsten Wesen liegt fühle ich wohl, ja wollte darauf wohl die Hostie nehmen, - doch Edmunds Gemüth bedarf der Trennung, soll es erfahren wie es zu mir steht, und zu sich selber Vertrauen gewinnen. Widersprecht mir nicht ihr Männer! ich habe, schnell zwar, doch ruhig geprüft und fühle mich nun zu jedem Opfer fähig. Auch, dünkts mir, giebts Verhältnisse im Leben die nur ein Frauenherz still durchschaut, indeß die Vernunft des Weisesten strauchelt!“ Sie schwieg. In Edmunds Seele stürmten Gefühle von selten widerstrebender Art, doch Leichtsinn und Unkenntniß seiner selbst, ließen ihn nicht zu Erklärungen kommen, und statt dem Bekenntniß seiner Schuld, warf er sich schmeichelnd in Mariens Arme und verhieß ganz nach ihrem Willen zu thun. Doch wollt’ er ihr wiederholt Liebe geloben. „Schwöre nicht“ unterbrach sie ihn mild „nur Freiheit ist der Talisman der Liebe, und frey wie ein Vogel must du wiederkehren, wenn dein Herz meines beglücken soll!“

(Die Fortsetzung folgt).




Die Lerche.
(S. Axtelmeiers Licht der Natur Th. II. S. 216).




Die Heidnischen Poeten haben geschrieben, die Lerche sei vor Erschaffung der Welt gewesen und habe ihren verstorbenen Vater in ihrem eigenen Kopfe begraben, das aber verstehe ich also: dieses Vögelein musiciert früh am Tage zum Lobe seines Schöpfers und preiset und rühmt fast ohne Unterlaß den ganzen Tag Gott den Allmächtigen, dazu schwinget sie sich freudig in die hohen Lüfte, und nimmt sich nur so wenig Zeit auf Erden und bleibet nicht länger als ihre Nahrung erfordert, also den Menschen ein Beispiel gebend. Die Musik aber ist vor Erschaffung der Welt gewesen, dieweil der Engel Gesang Gott vor Anbeginn der Welt gelobt hat. Nun ist an der Lerche nichts denn der Gesang, mit welchem sie Gott lobet und musicieret, dessen Gestaltniß in ihrem Kopfe begraben liegt und gleichsam ihr eigenstes Leben ist. Haben also die Poeten durch den Vater der Lerche, den Gesang gemeint, welcher von den Engeln selbst herstammt.




Grabschrift eines Fürsten.




Hye lyt ein Fürste löbelich,
     Quem vulgus flebile plangit,
     Von Misne Marcgraw Friderich,
     Cujus insignia pangit.
Clerus, claustralis, laicus,
     Den Fürsten leidlich klagen,
     Dives, inops, altus, infimus,
     Fürstliche Werck von ihm sagen.
Wahrhaft, Wise, Tugendlich,
     Affabilis atque binignus,
     In Gotisfurchte stätiglich,
     Fuit hic laudarier dignus.
Da veniam Christe
     Las uns Genaden erfinden,
     Annue quod iste,
     Los werd von sinen Sünden.

(cfr. Supremi honores quibus Friderici senioris, lin. vinariensis, funus comitabatur Frider. Hortlederus, MDCXXIII. 4.)

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_164.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)