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Verschiedene: Wünschelruthe

Kriegt ein jeder das Seine, so hat der Teufel ’nen Dreck.




Volkslieder.




Von der Insel Rügen, mitgeteilt von E. M. Arndt.
11.

Der Spielmannssohn.


Als ich ein kleiner Knabe war,
Da lag ich in der Wiegen,
Als ich ein wenig größer war,
Ging ich auf freier Straßen.

5
     Da begegnet’ mir des Königs Töchterlein,

Ging auch auf freier Straßen.
Komm herein! komm herein! kleiner Spielmannssohn!
Spiel mir eine kleine Weise.

     Es währte kaum eine Viertelstund,

10
Der König kam gegangen:

Du Schelm! du Dieb! kleiner Spielmannssohn!
Was thust du bei meiner Tochter.
In Frankreich ist ein Galgen gebaut,
Da sollst du Schelm dran hangen. -

15
     Es währte kaum drei Tage lang,

Die Leiter mußt’ ich steigen:
Ach! gebt mir meine Geige her!
Ich will ein wenig drauf streichen -

     Ich strich wohl hin, ich strich wohl her,

20
Ich strich auf allen vier Saiten,

Ich spielt’ einen hübschen Todtengesang,
Der König fing an zu weinen.

     Komm herunter! komm herunter! kleiner Spielmannssohn!
Meine Tochter soll dir werden.

25
In Oestreich ist ein Schloß gebaut,

Da sollst du König werden. -




Der Vertraute.




(Fortsetzung).

Es war ihm nicht unbemerkt geblieben, daß die schöne Frau den Garten noch nicht verlassen, und einen Umweg genommen hatte, um noch ein wenig länger zu lustwandeln. Er stellte sich also dicht an den Ausgang, wartete dort bis sie kam, machte ihr eine feine, ehrerbietige Verbeugung, und setzte ihr von weitem nach, bis er sie in ihr Haus gehen sah. Da er nun wußte wo sie wohnte fing er seine Liebesbewerbungen damit an, daß er jeden Tag wenigstens zehn mal durch ihre Straße ging und nach ihrem Fenster guckte. Weil er aber hiedurch nicht weiter kam, sann er auf ein Mittel, wie er sie ihrer Ehre unbeschadet, wol auch einmal sprechen könne. Nach vielem Ueberlegen, und hin und her Denken, fiel es ihm endlich ein, sich um die Freundschaft einer alten Frau zu bewerben, die der Schönen gerade gegenüber wohnte. Durch einige Geschenke gelangte er auch zu seinem Zweck, und erhielt freien Zutritt im Hause der Alten. Es war in diesem Hause ein Fenster, welches gerade auf Genobbia’s Zimmer stieß, und aus welchem man alles sehen konnte was sie that. Hinter diesem Fenster stand nun Nerino Tag für Tag, und belauschte jeden ihrer Schritte, aber wagte es nicht

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_181.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)