Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 192.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Wünschelruthe


Mann sei, und erzählte ihm, er werde noch in dieser Woche nach Hause reisen, sein Vater schreibe ihm er solle zurück kommen. Sehr erfreut darüber wünschte ihm Meister Raimond Glück auf den Weg. Nerino gedachte aber nicht, die Reise ohne Gesellschaft zu machen, denn er wußte der Dame Genobbia so gut zuzureden, daß sie das Haus ihres Mannes heimlich verließ und mit ihm nach Spanien entfloh. Meister Raimond wüthete zwar im Anfange gewaltig als er ihre Flucht gewahr wurde, doch tröstete er sich am Ende über den Verlust einer Frau, um welche er so großen Verdruß ausgestanden hatte.

Anmerkung: S. über die vielen Gestalten, in denen der wesentliche Inhalt dieser Erzählung erscheint, Eschenburgs Anmerkungen zu Shakspeare’s lustigen Weibern zu Windsor. Wir fügen diesem nur gelegentlich hier zu die persische Novelle in Bahar-Danusch (Transl. by Jon. Scott, Shrewsbury 1799., Vol. 3. p. 291.) Erz. des zweiten Reisenden.




Torquato Tasso’s befreytes Jerusalem




Sechster Gesang.




(Fortsetzung).
73.

Dann wird zur Lust sie wieder hingezogen
     Vom falschen Gott, der kosend um sie fleuget:

155
     „Bist du gezeugt vom kalten Fels der Wogen,

     O junges Blut? von Bärenmilch gesäuget?
     Daß flieh’n du müßtest Liebespfeil und Bogen,
     Verschmähtest, was so süße Lust erzeuget?
     Ist denn dein Busen Demantstein und Eisen,

160
     Daß Schmach es wäre, Liebende zu heißen?


74.

O gehe nur, wohin dein Wunsch dich führet!
     Doch kannst du grausam wol den Sieger meinen?
     Hat nicht dein Schmerz mit Schmerzen ihn gerühret?
     Litt Er nicht mit bey deinem Leid und Weinen?

165
     Nein Du bist grausam, die so träge führet,

     Wo’s gilt, dem Treuen hülfreich zu erscheinen!
     Der fromme Tankred schmachtet hin im Schmerze:
     Du heilst den Feind, o hart und danklos Herze!

75.

Ja, heil’ Arganten, daß es seinem Schwerde

170
     Gelinge, deinen Retter umzubringen!

     So wähnst du, daß die Schuld gezahlet werde?
     Solch einen Lohn soll seine Huld ihm bringen?
     Wie kannst du saümen dich von der Beschwerde
     Gottlosen Marterdienstes loszuringen?

175
     Gnügt Abscheu nicht und solches Unheils Drohen,

     Dorthin zu ziehn, im schnellsten Flug entflohen?

76.

Wohl wär’ es Menschenpflicht und wohl empfände
     Herminia herzinniges Vergnügen,
     Des Mitleids und der Heilung zarte Hände

180
     Dem starken Heldenbusen anzufügen:

     Daß so durch sie des Freundes Leid verschwände,
     Die Glut heimkehrte den verstörten Zügen,
     Und sie an seiner Huld, die nun zerronnen,
     Sich dürfte, als an ihrer Gabe, wonnen.

77.

185
Theil würde sie an seinem Lob erlangen

     Und des erhabnen Ruhmes stolzer Beute,
     Wann er mit süßem, züchtigen Umfangen,
     Und mit glückseel’ger Hochzeit sie erfreute,
     Gepriesen einst, hochausgezeichnet prangen

190
     Im Kreis der Römermütter und der Bräute

     Dort in Italja’s wunderschönem Lande,
     Des Muths und Glaubens wahrem Vaterlande.“

78.

So wird sie, ach! von Hoffnungswahn betrogen,
     Träumt Seligkeiten im bethörten Sinne!

195
     Doch schwimmt sie noch in tausend Zweifelswogen,

     Wie ohne Fahr sie aus der Stadt entrinne.
     Schildwachen halten rings die Burg umzogen,
     Schildwachen gehn rings auf der Mauerzinne;
     Auch wagt kein Tor bey diesen Kriegsunruhen,

200
     Denn um gewicht’gen Grund, sich aufzuthuen. –


79.

Es weilet oft Herminja bey Klorinden,
     Um lang an ihrer Nähe sich zu weiden;
     Dann wird bey Ihr das junge Roth sie finden,
     Bey Ihr die Abendsonne beym Verscheiden.

205
     Und wenn die Tageslichter all entschwinden,

     Umfängt ein Lager auch die schönen Beyden;
     Und kein Gedanke, der – bis auf die Liebe –
     Geheim dem Mädchen vor dem Mädchen bliebe.

80.

Nur hievon thut ihr nie Herminja Kündung;

210
     Und hört die Freundinn Klagen und Gewimmer:

     Dann deutet anders sie des Herzens Zündung,
     Und thut, als quäl’ ihr Ungemach sie immer.
     So stund, bey so herzinniger Verbündung,
     Herminjen offen stets Klorindens Zimmer,

215
     Sey sie im Rath, im Felde, oder dorten,

     Nie schlossen sich der Freundinn ihre Pforten.

(Die Fortsetzung folgt).
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_192.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)