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Verschiedene: Wünschelruthe


Litteratur.

Rhapsodien eines Denkers über die wichtigsten Gegenstände der Menschheit. Breslau 1817. (neue Ausgabe).

Es ist ein fast wehmüthiges Gefühl, und von einer Seite beinahe unerklärbar, wie ein Mensch von ausgezeichnetem Scharfsinn unter dem Höchsten in Verstand und Gemüth hergehen kann, ohne eine Ahndung davon zu haben oder es im geringsten würdigen und fassen zu können, dagegen oft gemüthliche Menschen, die durchaus nicht selbstschaffend sind, es leicht begreifen, ja sogar die falsche Höhe von der wahren schnell unterscheiden. Bei dem Verfasser dieses Buches scheint aber auch außer jenem unphilosophischen wie ungemüthlichen Scharfsinn besonders Erziehung, Bildung, und Unkenntniß des eigentlichen Ganges der Philosophie mitgewirkt zu haben, daß er uns hier die längst vergessene innerlich vernichtende französische Philosophie in einer neuen Form bietet. Daß sie sich durch mancherlei Berührungen, durch Aufnahme neuer Erfahrungen, durch schärferes Auftreten, selbst durch tiefere Bedeutung und mehr Wissenschaftlichkeit gestärkt hat, soll uns nicht verführen, hier den Helvetius und seine Schule verbunden mit vielen Kantischen Ideen wieder zu erkennen, man kennt ja das Geschwätz von reinster Vernunftreligion und Moral, vom Reinmenschlichen zur Genüge, wovon die unschuldigen Wörter selbst beinahe verrufen und lächerlich geworden. Rührend ist es wie der Verfasser sich doch nicht losmachen kann vom Christenthum, und während er von Christus spricht „daß sich schon früh das Göttliche, was allen höheren Naturen eigenthümlich ist, in ihm entwickelte,“ von Moses, „daß er kein Philosoph, der seine verführten zu einem auserwählten Volke geschaffen hat“, rühmt er doch ohne Affektation Luther und Hutten als Glaubenshelden, ganz wie die protestantischen Theologen vor 30 Jahren. Die nüchternste Vernunft ohne Tiefe und Anschauung! Als Spitze davon erscheint sein christliches Glaubensbekenntniß, wo er glaubt an „Vater, Sohn und Geist, aber fern von aller sinnlichen Persönlichkeit als göttlich wirkende Kräfte, Unsterblichkeit der Seele und Strafe jenseits“ (die positive Religion hat er vergessen). Dies nennt er christliches Glaubensbekenntniß! da sind ja wohl die meisten Heiden auch Christen gewesen? Am widrigsten erscheint er, wo er über das alte Testament spricht. „Der Scharfsinn, der durch die Moral zu einem höhern Zweck dringt, findet im alten Testament des erbaulichen wenig. Schlüpfrige Beispiele, welche das schimmernde Kleid der Moral tragen, werden sie aber auf den Probierstein ächter Tugend gebracht, so verräth sich die verschönernde Phantasie der Propheten oder seine Ansicht, die nie wähnte ein höherer Maaßstab der Sittlichkeit könnte der fernsten Nachwelt jemals gewährt werden. Warum läßt man nicht, wie Joseph den Mantel, das alte Testament fahren, und schneidet es von der wahren Lehre Jesu Christi ab?“ – Das sieht etwas wie Wahrheit aus, und könnte manchen Unschuldigen irre machen, der nicht weiß, daß die Tugend in der Erscheinung keineswegs ein absoluter Begriff ist, sondern die innere Harmonie der Seele, die sich nur dem göttlichen Willen unterordnet, und die fehlt dem alten Testament so wenig als dem neuen, es verhält sich zu ihm, wie Stamm und Blüthe; daß die letzte edler und zarter ist, ist nothwendig, aber hauest du den Stamm um, so fällt die Blüthe mit. Wir können uns hier nicht auf Widerlegung dieses Buchs einlassen, wir brauchen nur zu bekennen, daß wir nichts neues darin gesunden, und dieß alte Wesen ist ja schon tausendmal durchsprochen! Die Lebendigkeit und der geistreiche Vortrag scheint ihm aber eine unverdiente Aufmerksamkeit verschaft zu haben, wie man vermuthen möchte, weil das Buch eine neue Ausgabe erlebt hat. (Die vorige war von 1810.) Daher sprechen wir dieß wenige darüber. Was er über Kunst und Politik schreibt ist recht verständig, doch haben wir auch daraus nicht vieles erlernen können. Der Verfasser verspricht in einigen Bemerkungen noch ein Paar Bücher, wir hoffen, daß sie besser wie das gegenwärtige sind.

tn.


Grabinschrift zu Dobberan.
Aus Kluvers Beschreibung des Herzogthums Mecklenburg. 2. Th. Hamb. 1738. 8.

Mein König und mein Gott
Ist Christus in der Noth
Hier liegt Claus Bang begraben ohn Leid
In vollkommner Gesundheit

5
Und hat sein Leben zugebracht bei guten Tagen

Mit Sorg und Plagen
Ist von allen seinen Freunden gezogen
Und vor allen Feinden geflogen
Hat alle Freunde bedacht

10
Und alle seine Feinde verlacht

Ist ins Jammerthal gesprungen 1581
Und ins Freudenthal gesungen 1609
Ist gewesen von 28 Jahren
Ehe er ist in den Himmel gefahren

15
Der Leser wird hier sehr gebeten

Auf dieses Grab doch nicht zu treten.


Wiegenlieder.

1.

Eya im Holte
Da weiht de Wind so stolte,
Ut den Holt int graune Gras
Da de gälen Bleumkens[WS 1] waßt,
Dei schall dat Kinnecken plücken
In sine lütje Slüppen.

2.

Susemisekättchen leip over dat Feld,
Susemisekättchen wo wut du hengahn,
Ek will na Großvaders sin Huse hengahn
Da slachtet se Swin
Da drinket se Win
Sall morgen ne lustige Hochtit sin.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: gölen Bläumkens. Siehe Druckfehler S. 204.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_196.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)