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Verschiedene: Wünschelruthe

Anderer. Zumeist preis’ ich den von Burgund,
     Den weißen, heißen, schweren
     Und nach dem Rum kann ich dem Mund
     Nichts köstlichers gewähren.
Junger Student. Wie so mit Lust und Kennerzug
     Die Alten schnuppern, kosten, schlürfen,
     Sind vor dem Carcer sicher gnug
     Wenn sie mehr trinken, als sie dürfen.
Bürger. Jetzt Brüderchen, jetzt fühl’ ich mich
     In meinem Elemente,
     So daß mit Professoren ich
     Diskurse führen könnte.
Ehemann. Nehm’s mit dem Wein nicht so genau,
     Und sollt’ er mich auch fassen,
     Nur darf ich meine junge Frau
     Nicht aus den Augen lassen.
Student. Heut ist dem Kerl, er ist gewitzt,
     Nichts einzubuchstabiren,
     Umsonst hab’ ich den Mund gespitzt
     Auf das zu Hause führen.
Anderer. Auf, Brüder, lasset uns nunmehr
     Die Hauptgesundheit bringen;
     Es lebe hoch das ganze Heer
     Und die den Schläger schwingen.
Chor. Es lebe hoch das ganze Heer
     Und die den Schläger schwingen!
Officier. Es haben die andern es durchgesetzt
     Mit Müh und Noth und Sorgen,
     In Feld und Wald sich durchgehetzt,
     Bis sie den Sieg geborgen;
     Und diese tolle junge Brut
     Und diese Bücherwürmer,
     Sie rasen, schrein in voller Wuth,
     Als wären sie die Stürmer.
Bürger. Es thut ein jeder was er mag,
     Zu dem gemeinen Besten,
     Die andern siegen Schlag auf Schlag,
     Wir feiern das mit Festen.
Chor der Bürger. Drücken wir uns an die Wand,
     Wagen nicht zu singen,
     Dennoch sind wir bei der Hand,
     Wo die Gläser klingen.
Fremder. Wenn ich das plumpe Treiben mir
     So recht bei Licht besehe
     So wundr’ ich mich, wie ich noch hier
     Das zu betrachten stehe.
     

     


Zweite Szene.
Der Tanzsaal öffnet sich.
Musikdirektor. Jetzt spielt den Walzer Nummer drei,
     Das Tempo nur hübsch mäßig!
     Und wer pausirt, ich rath’ er sei
     Indeß nicht zu gefräßig.
Walzer. Bebend, schwebend, Arm in Arm
     Aug’ in Aug’ versunken,
     Pocht das Herz so liebewarm,
     Ist der Blick so trunken.
Feiner. Ich mag’ die kühne Hoffnung hier
     Als möglich mir zu denken,
     Daß Sie, mein holdes Fräulein, mir
     Noch diesen Walzer schenken.
Dame. Wie gern, nur ach! ich bin genirt!
     Dort jenen Herrn, den Blöden, –
     Ach daß wir früher engagirt,
     Gehn Sie ihn zu bereden.
Sich Bildender. Noch muß ich eine kurze Zeit
     In allen Zirkeln passen,
     Bis ich mit der Lebendigkeit
     Mich besser kann befassen.
Dame. Nicht vorgestellt, ganz unbekannt –
     Und dennoch durft’ er’s wagen!
     Hätt’ er sich nicht Baron genannt,
     Ich hätt’s ihm abgeschlagen.
Geniale. Was ist der Junge köstlich frisch
     An Auge, Mund und Wangen!
     Wie freudig würd’ ich noch vor Tisch
     An seinen Lippen hangen.
Bürgerin. Frau Base, hieher, oben hin,
     Wir zahlen wie die Andern!
     Und steht es denen nicht zu Sinn,
     Da können sie ja wandern.
Alter Herr. Ist das nicht Histrionenspuk,
     Ists je erhört, gesehen,
     Im skandalösen deutschen Schmuck
     Vor uns einher zu gehen!
Dame. Wo ich auch sitze, gehe, steh,
     Stets muß er mich betrachten
     Und in der Ferne, in der Näh,
     Scheint er nach mir zu schmachten.
Student. Herr Bruder, wacker näher dring,
     Du zeigst dich gar zu blöde,
     Das kleine bürgerliche Ding
     Thut wahrlich nur so spröde.
Contretanz. Folge schnell der säum’gen Flucht,
     Scheint sie zu entweichen,
     Liebe flieht und Liebe sucht,
     Lieb’ wird Lieb’ erreichen.
Tauber. Wie toll und wirr und ohne Sinn
     Sie durch einander rennen,
     Wenn ich nicht selber irre bin,
     Muß ich sie irre nennen.
Kritiker. Sie sollten doch den Contretanz
     Gleich einzustell’n befehlen,
     Denn ich beschwör’s, man kann ihn ganz
     Zur neuen Schule zählen.
Dame. Wie kommt’s, daß emsig nur die Herrn
     Dort um die Kleine rennen,
     Wer nicht gar blind ist, kann von fern
     Den schlechten Wuchs erkennen.
Erfahrene. Ach Liebe! es ist keine Kunst
     Die Männer fest zu halten,
     Will man mit Zeichen seiner Gunst
     Nicht zu haushältrisch schalten.
Student. Wie jüngferlich und zümpferlich
     Sie gehen, sprechen, blicken
     Und lassen von den Dreisten sich
     Doch gern die Hände drücken.
Dame. Die Albernheit, der fade Tand
     Kann mich nicht mehr ergötzen,
     Nur fing’ ich einen reichen Fant
     Noch gern in meinen Netzen.
Lüsterner. Es locken, winken dort und hier
     So frisch und roth die Lippen,
     Jung bin ich nicht, doch möcht ich schier
     Noch hier und dort eins nippen.
Dame. Geschicklichkeit nenn’ ich’s, nicht Glück,
     Daß sie mir folgen müssen;
     Wie muß man Gruß, Wink, Druck und Blick
     Nicht zu vertheilen wissen.
Empfindsame. Mondenschein und Nachtigall
     Trink’ ich in diesen Tönen.
     Inbrünstig möchte ich das All
     An meinen Busen nehmen.

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_225.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)