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Sozial und politisch hat das Jahrhundert einen Stand emporgebracht, der von da an immer wichtiger wird für die Geschichte der Stadt. Eine nur selten stürmische, viel mehr mit unwiderstehlicher ruhiger Kraft stetig vorwärts drängende Bewegung sehen wir sich vollziehen. An jene zeremoniöse durch den Bischof geschehende Promotion des Handwerkers zum Burger ist nicht mehr zu denken, die noch vor wenigen Jahrzehnten möglich gewesen war; der Handwerker hat andere Ziele und bedient sich anderer Mittel. Einzelfiguren freilich treten uns aus dieser Entwicklung nicht entgegen; ihr Charakteristisches ist die Masse und deren Wucht in der Bewegung.

Halten wir diesen Begriff von Masse fest. Er hat Geltung in der Geschichte der Stadt über den Bereich der Zünfte hinaus.

Sobald wir uns klar machen, wie eng umschränkt im Grunde die von der Überlieferung vor uns hingestellte Welt ist, werden wir der weit überwiegenden Mehrheit inne, die noch außer ihr bestand und lebte. Die Quellen nennen nur, was in festen Formen sich zeigte, was Geschäfte schloß oder zu ihnen gezogen wurde, was Rechte, Vermögen, Ansehen, Einfluß besaß. Und es ist zuzugeben, daß von diesen wenigen Menschen in der Tat das momentane Geschehen abhieng. Aber ihnen gegenüber stand eine Menge, die für uns zwar lautlos und bewegungslos, aber deren Vorhandensein an sich allein schon wichtig ist. Sie bildet sich aus den zahllosen Kleinen, aus Armen, aus wenig Berechtigten; sie bildet sich aus Fahrenden und Fremden, aber vor allem aus Ansässigen; sie ist die breite niedere Schicht, die unterste Gesellschaft, stets genährt durch Zufluß vom Lande und ihrerseits ihr Bestes an die höhern Klassen abgebend. Das Spiel einer solchen unaufhörlich nach oben ausscheidenden, von unten frisch zuströmenden Kraft hat große Bedeutung. Aus ihr quillt eine stetige Erneuerung der Bevölkerung bis in die obern Schichten hinauf. Sie ist aber auch Wirkung und Zeugnis einer allgemeinen Bewegung.

Als ein von Weltstraßen durchschnittener Transitpunkt war Basel ohne weiteres den Einwirkungen des Auslandes, auch der weiten Ferne, unterworfen. Vor allem und seit Alters denjenigen Italiens. Wesen und Umfang dieser Influenz irgendwie in ihrem Ganzen zu erkennen, ist jedoch unmöglich; nur ein Hinweis ist gegeben im Vorhandensein der Lombarden in Basel, d. h. jener Italiener, die Wechselgeschäfte trieben, Darlehen gegen Faustpfand gaben, daneben sich auch mit Zinswucher befaßten; die heutige Streitgasse trug von ihnen den Namen Lampartergasse. Gestalten aus diesem Kreise waren der bei St. Leonhard angesiedelte Albertlinus, ferner

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/129&oldid=- (Version vom 17.7.2016)