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Jahrhunderte hindurch dauernder. In Basel nun scheint die Entwicklung die gewesen zu sein, daß der Bischof seine Gerichtsbarkeit in der Regel durch Propst und Dekan des Domkapitels ausüben ließ; Aeußerungen hievon sind die von den judices Basilienses erlassenen Urkunden, die um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts begegnen. Erst Heinrich von Isny brachte diesem Zustande gegenüber, bei dem das Recht des Bischofs in Vergeß geraten war, dieses wieder zur Geltung und verständigte sich mit Propst und Dekan, unter Halbteilung der Gerichtsgefälle zwischen ihm und ihnen.

Aber diese Usurpation war nicht die einzige. Noch stärker griff in Rechte des Bischofs der Archidiakon ein. Dieser war ursprünglich der bevorzugte Helfer des Bischofs bei Verwaltung der Diözese, namentlich bei der Sendgerichtsbarkeit für innerkirchliche Angelegenheiten, Kirchenzucht, Amtsvergehen der Geistlichen usw. Daraus bildete sich bei ihm schon frühe, auf Kosten der bischöflichen Jurisdiktion, eine eigene Gerichtsbarkeit aus, im Zusammenhang mit der allgemeinen Aspiration von Macht, mit den Uebergriffen und Anmaßungen, die durchweg die Entwicklung der Archidiakonatsgewalt kennzeichnen. Die heftigen Bewegungen und der Unfriede, die — trotz Spärlichkeit der Quellen unverkennbar — die Geschichte des Basler Bistums im zwölften Jahrhundert erfüllten, sind jedenfalls zum Teil aus diesem Konflikt erwachsen; als ein mächtiger Repräsentant der Archidiakonatswürde in jener Zeit kann uns Diether vom Kornmarkt gelten, der nach dem Münsterbrande von 1185 die St. Maria Magdalenenkapelle erbaute.

Der Gegensatz der beiden Gewalten, den kein Ausgleich beseitigte, findet sich dann seit Mitte des dreizehnten Jahrhunderts vorwiegend in den neben einander amtenden Gerichtshöfen des Bischofs auf der einen, des Archidiacons von Basel (im Gegensatz zu den in den verschiedenen Sprengeln der Diözese regierenden Archidiakonen archidiaconus major genannt) auf der andern Seite. Jede der beiden Curien hatte ihren Official und ihren Stab von Beamten, Notaren, Advokaten, Siegelbewahrern, Bütteln. Diejenige des Archidiakons, der, wie oben erwähnt wurde, auch Archipresbyter hieß, daher sein Official auch der erzpriesterliche heißen konnte, war zuständig nur für die Stadt und deren Umgegend, diejenige des Bischofs dagegen für das ganze Bistum, sodaß sie in der Stadt selbst mit jener konkurrierte. Aber wie diese Gerichtshöfe sich auf beschränktem Gebiete Konkurrenz machten, so traten sie beide dem weltlichen Gerichte des Schultheißen gegenüber. Ihre Überlegenheit in der Rechtskunde, ihre sichere Anwendung der Form gewann stets das Zutrauen der Laien, sowohl für die

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/143&oldid=- (Version vom 1.8.2018)