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Größe uns freilich nur erscheinen, wenn wir die Geistes- und Kirchengeschichte jener Zeit so umfassend als möglich betrachten. Aber dies ist uns hier verwehrt, und wir müssen versuchen, dem in Basel uns Begegnenden gerecht zu werden.

Das Innerste der ganzen Bewegung, so knapp als möglich zusammengefaßt, ist die Sehnsucht nach alleiniger Betrachtung der höchsten Dinge, eine Gesinnung, die den Einzelnen dazu treibt, seine Gabe den Armen zugeben, sich ganz Gott zu widmen, für sich allein der Heiligung zu leben. So ist das Mönchtum entstanden. Aber Mönch oder Nonne werden ist nicht die einzig mögliche Form. Noch in der Zeit, der unsere Darstellung gilt, finden wir Solche, die dieses Leben zu führen wünschen und tatsächlich führen ohne den Schutz des Klosters, mitten in der Welt, umgeben vom Lärm der Stadt.

Jene „armen Schwestern“, jene „Weiblein“, die von den ersten nach Deutschland kommenden Mendikanten als stille Klausnerinnen neben Kapellen im Straßen- und Marktgewühl vorgefunden wurden, können Existenzen dieser Art gewesen sein. Die Mönche holten sie allerdings aus ihren Klausen heraus, vereinigten sie in Klöster, gaben ihnen Regel, Ordnung und Aufsicht. Aber das Bedürfnis und die Möglichkeit eines weltabgewandten Lebens auch ohne Kloster bestand weiter.

Dies zeigt vorerst das Beginentum, das aus seiner belgischen Heimat auch nach Basel kam und hier Wurzel trieb. Die Beginen wohnten, wie es scheint, meist in Gemeinschaften; aber sie konnten auch für sich allein wohnen. Der Gedanke, der sie leitete, war Verzicht auf die Welt; sie lebten in Enthaltsamkeit, Gebet und Fasten; das Wenige, dessen sie bedurften, erwarben sie durch Handarbeit. Aber kein Gelübde band sie; sie waren frei von äußerer Pflicht und Regel. Entsprechender Art waren Männergenossenschaften, die Begharden.

Sodann sind zu nennen die Tertiarier der Bettelorden, die Brüder und Schwestern des dritten Ordens, auch Brüder und Schwestern von der Buße genannt. Hier war das Charakteristische der Anschluß an die bestehenden Orden. Die Tertiarier erhielten eine Regel, die ihnen Pflichten der Demut, der Entsagung, des Gehorsams, des frommen Wandels auferlegte. Aber sie blieben in der Welt. Ehe und Beruf mußten nicht preisgegeben werden. Eine Form war erstrebt, bei der das völlige Leben mit Gott, der Geist des ursprünglichen Christentums in das Alltägliche, in Familie, Arbeit und Erwerb mitten hinein geführt wurde. Schon ein Schritt weiter war es, wenn den Tertiariern das Verlassen ihres bisherigen Lebens gestattet

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/197&oldid=- (Version vom 1.8.2018)