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schwerlich irre, wenn wir eben diesen Bezirk als die Wiege eigenen städtischen Wesens ansehen; er hat sich dem Bischof gegenüber zu behaupten vermocht als Sitz von Gemeindegeschäften und Gemeindebefugnissen, die mit der Stadtherrschaft als solcher, wie sie dem Bischof zusteht, nichts zu tun haben.


Als ein Geschäft dieses Gemeindehaushaltes erscheint die Verwaltung der Allmend, wobei sowohl an Weideland und Wald als auch an Straßen und unbebaute Plätze zu denken ist. Auf diese Allmendverwaltung bezieht sich die früheste Erwähnung der Gemeinde in Basel. Zur Widmung nämlich des außerhalb der Mauern gelegenen Allmendplatzes zum Bau der St. Leonhardskirche, vor 1118, bedarf es des Konsenses der Stadtbevölkerung; diese, totus populus, durch Bischof Rudolf darum angegangen, giebt ihre Einwilligung, ein Gemeindebeschluß wird gefaßt, und bei der Übergabe des Platzes wirken dann die nobiliores civium, die Edelsten aus der Bürgerschaft, mit. Diese können als ein Gemeindeausschuß betrachtet werden, ihre Nennung vielleicht als das früheste Zeugnis für den Rat.


Volle siebzig Jahre später erst wird dieser Rat wieder genannt. Aber während der Zwischenzeit hat er sich ausgebildet. Innerhalb seines eigenen Bereiches. Wenn zu eben dieser Zeit in Urkunden der Bischöfe gelegentlich „Laien“, „Getreue der Kirche“ etc. als Berater genannt werden, so ist dabei nicht an den städtischen Rat zu denken. Diese Laien sind nicht Städter, sondern Herren und vor allem hochstiftische Dienstmannen. In andern Fällen freilich, die nicht bezeugt sein mögen, haben die Bischöfe auch hier vielleicht Gemeindemitglieder zu Ratgebern herangezogen, wie anderwärts nachweislich geschah. Aber so wenig dabei an ein fest organisiertes Ratskollegium zu denken ist, so wenig kann eine solche nach Bedürfnis und Umständen stets wechselnde Beraterschaft als Ursprung des städtischen Rates gelten. Fähige und Einflußreiche kamen jederzeit und überall in Betracht, und wenn einzelne Einwohner der Bischofsstadt diese Qualität besaßen, konnten auch zu Zeiten vom Bischof als Berater und Zeugen aufgeboten werden, ohne daß wir deswegen den städtischen Rat aus einem bischöflichen Ratskollegium abzuleiten haben. Die Gebiete der Interessen und der Tätigkeit waren verschieden und dementsprechend auch die Behörden.


Bei der Entwicklung des städtischen Rates handelte es sich um einen Vorgang, der sich nicht hemmen ließ. Es war nur menschlich, daß an Stelle des Genügens die Lust der Usurpation trat, daß Gegensätze entstanden, daß Stadtgemeinde und Rat über den Kreis interner Kommunalgeschäfte hinaus in das Gebiet der öffentlichen Gewalt zu greifen begannen.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/36&oldid=- (Version vom 1.8.2018)