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Die durch das Bürgerrecht der frühern Zeit zusammengefaßte Klasse bleibt als solche bestehen, hält die Auffassung fest, der sie ihre Entstehung verdankt. Sie bildet von nun an innerhalb der Bürgerschaft den Stand der Burger. Es wird noch von ihr zu reden sein.


Bürgerrecht und Stände können als die festen Begriffe gelten, an die sich eine Betrachtung der Einwohnerschaft vorzugsweise zu halten hat. Aber sie erschöpfen den Gegenstand nicht; auch vermögen wir sie nur nebenbei zu deduzieren aus einer Überlieferung, die ja zu ganz andern Zwecken geschaffen ist, als um Gesetze und Regeln zu lehren. Sie bezeugt das Geschehen, das Handeln. Sie läßt die Bevölkerung sich vor uns in einem Leben regen, das tausend Seiten hat. Gruppen in Menge bilden sich, treten uns entgegen, lösen sich wieder. Nicht nach Distinktionen des Rechtes sind sie gesondert, sondern nach tatsächlichen Beziehungen. Verwandtschaft, Freundschaft, politischer Ehrgeiz, Parteiung und Familienzank, Nachbarschaft, Gleichheit des Gewerbes, geschäftliche Interessen, Devotion bewegen und gestalten diese Menschenmasse und ermöglichen uns zum mindesten eine Ahnung dessen, was damals Leben hieß.

Am deutlichsten in den Beziehungen zur Kirche. Man sieht, wie einzelne Klöster und Stifter ihren Anhang haben, Frauen und Männer und ganze Familien, die ihnen zugetan sind. Solches Ergebensein, das in Stiftungen, Vergabungen, Begräbnissen sich äußert, schafft in der Bevölkerung allerhand Zirkel, die zum Teil noch erkennbar sind. Solcher Art waren z. B. die Beziehungen der Familien Rot, zum Rosen, von Heidweiler, von Zässingen zu den Barfüßern und ihren Töchtern den Clarissen. Aber noch in weiterm Sinne sehen wir solche Kreise sich um eine Kirche bilden. Sie umschließen Alle, die in ihrem Schatten wohnen, ihren Glocken folgen. Nicht ihr Schenken an diese Kirche ist die Hauptsache, sondern ein so nahes Vertrautsein, daß sie der Kirche als Berater und Zeugen dienen können, als solche von ihr gerufen werden. Man kann geradezu von Gesellschaften reden, einer Peters-, Leonhards-, Münstergesellschaft. In den Zeugenreihen der Gotteshäuser sind sie deutlich vergegenwärtigt. Bei St. Peter fällt die Gesellschaft zusammen mit dem größern Teil des Burgerstandes und einem Teile des Adels. Sie umfaßt die Familien, die zwischen Eisengasse und St. Peter wohnen, die ratsfähigen Geschlechter. Das stattliche Stift ist Hort und Zuflucht, Liebling und Stolz dieser Familien. Die bekannten Namen Rot, zum Sternen, Ludwig der Krämer, Sutto, Münzer, Tanz u. dgl. begegnen uns immerfort in den zahlreichen Dokumenten der Chorherren

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/98&oldid=- (Version vom 1.8.2018)