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Dies das letzte Wort. Nun war die Lage formell geordnet. Alles Kommende geschah gemäß der völligen Neutralität Basels.


Nirgends freilich war solche Neutralität schwieriger zu üben, als gerade hier. Denn wie die Stadt „auf dem Anstoß“ der Feinde lag, so die Landschaft; diese wurde der freie Tummelplatz für alle Lust und Wildheit des Krieges. So sehen wir, daß der Begriff dieser Neutralität für das Gebiet der neutralen Stadt kaum galt; was der Rat im Einzelnen zu tun versuchte, durch Verteilung von Bleischilden mit Baselstäben oder durch Bezeichnung von Häusern mit diesem Wappen, fruchtete nicht Viel. Aber auch rings um die Stadt selbst, bis an die Gräben, war die ganze Flur offen für den Krieg. Nur die festen Plätze vermochten die Neutralität zur Geltung zu bringen, und auch sie nicht alle. Von einer Sperrung Waldenburgs war nie die Rede. Bei Liestal galt wenigstens als Regel, daß seine Tore beiden Parteien geschlossen sein sollten. So auch bei Basel, wo aber die Vorschrift schon früh gemildert werden mußte. Wir werden daher einen nie abgebrochenen, regen Verkehr gewahr. Von hüben und drüben ritt man hier ein und aus, und an Vorwürfen deswegen konnte es nicht fehlen. Denn wer hereinkam, suchte nicht immer nur das Wirtshaus und den Kaufladen; auch Kundschaft konnte er bringen oder holen, Helfer werben, einen Handstreich abreden. Was aber am meisten zu reden gab, waren die Lieferungen von Proviant und Kriegsmaterial. Der Rat hielt konsequent den feilen Kauf für beide Lager offen; alte Übung so gut wie deutliche Verträge sicherten Basel diese Funktion, die zum guten Teil seine Bedeutung für den Oberrhein begründete. Den Zwischenhändlern freilich trat der Rat entgegen. Er verbot die Zufuhr zu den Kriegenden; diese sollten hier nur den feilen Kauf suchen dürfen. Aber um so entschiedener wahrte er diesen. Was für Lebensmittel galt, galt auch für Anderes, namentlich für Waffen und Munition.

Von großer Kraft ist der Kontrast zwischen der unaufhörlichen stürmischen Bewegung des Krieges draußen und der Ruhe dieser geschlossenen stolzen Stadt, die vom Kriege nichts wissen will. Aber sie steht doch ganz unter seiner Wirkung. Sie erlebt Alles mit, was um ihre Mauern geschieht, und vibriert im Innersten von verborgenem Leben.

Alles ist jetzt ungewöhnlich, das Alltägliche gestört. Bei den Gerichten wird es stille; sie werden selten gehalten, das Urteilsbuch zeigt wenige Eintragungen; aber in der auffallenden Häufigkeit von Testamenten offenbart sich der Ernst dieser Zeit. Und wie überfüllt ist die Stadt! Durch die Geflüchteten zumal, die mit ihren Familien und Vorräten sich überall

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/186&oldid=- (Version vom 24.10.2016)