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vom Reiche los; im Februar 1600 war sie an dem wichtigen Reichstage zu Augsburg anwesend. Aber doch wie ein Gegenspiel zu dieser Entwickelung erscheint in eben diesen Jahren das Hereintreten Frankreichs in die Basler Politik. Der Anfang ist nur klein, aber der Beachtung wert. Zu einer Zeit, da schon jährlich die Geldtransporte von Lyon her in die eidgenössischen Orte gingen, hatte Basel sich noch rein und fern gehalten, keine Beziehungen zu Frankreich gehabt. Jetzt, im November 1499, wurden solche Beziehungen eröffnet durch ein Schreiben König Ludwigs, mit dem er die gute Aufnahme seiner Gesandten zum Kongreß verdankte, und das der Rat aufs höflichste zu erwidern sich beeilte.

Die Entwickelung vollzieht sich mithin ohne Eingreifen oder Widerstreben des Reiches. Um so stärker ist die Bewegung im Innern. Es gilt hier den letzten Kampf und die Entscheidung.

Wir haben das Bild heftigster Zwietracht vor uns. Unaufhörlich ist von den Spottliedern die Rede, vom Dornachlied, vom Sempachlied, mit deren Singen man den Gegner reizte, von den Zeichen der Kreuze und Federn; überall begegnen wir dem Parteibewußtsein, das unaufhörlich zum Bekenntnis drängte und keinen Zusammenstoß scheuen ließ. Daher Unruhe und Streit allenthalben: bei den trotzig aus- und einreitenden Edeln; bei den Weibern, die in ihrem Gekeif den Zank der Männer fortsetzten — „ihr unmächtigen Schwaben, geht nach Dornach in die Metzg, da findet ihr Fleisch“ stichelt die Eine; „wenn ich nach Dornach gieng Fleisch holen, möcht ich so bald einen Schweizer wie einen Schwaben finden“ schreit die Andre zur Antwort —; bei den Zünften. Die Metzger und die Gerber waren eidgenössisch, die Brotbecken hielten zum Alten, Hans Bär im Schlüssel hieß „der groß Switzer“.

Es waren Gegensätze, die seit Jahrzehnten bestanden. Aber die gewaltigen Erlebnisse der letzten Monate hatten sie in einer Weise gesteigert, daß jetzt diese Parteinahme über ein beliebiges läßliches Meinen und Gestimmtsein weit hinausging, daß sie eine den ganzen Menschen und im Innersten ergreifende Sache war. Leidenschaft und nationaler Haß hatten den Krieg geführt; sie zeigten ihre Macht auch in dieser Stadt, die sich so klug zu sperren wußte und alle eigene Leidenschaft vor die eine Forderung stellen zu können meinte, nichts Andres zu sein als ein guter Basler. So lange der Krieg tobte, war die Vorsicht in der Tat ein Schirm gewesen; jetzt, da die Waffen ruhten, zeigte sich die Schwäche und Blöße solcher Neutralität, und wie ein Vermächtnis dieses Krieges, der mit seinen Schauern die Stadt so nahe gestreift hatte, empfand Jeder die Pflicht, sich Für oder Wider zu entschließen.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/198&oldid=- (Version vom 24.10.2016)