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Venningen beschuldigte öffentlich die Räte, daß sie die Eide nicht hielten, die jährlich dem Hochstift von ihnen getan würden. Der Rat verlangte Abbitte. Statt dieser erhielt er den Besuch des Bischofs selbst, am 23. Dezember 1476. Mit mächtigem Gefolge trat er auf, aber nicht um Frieden zu machen. Vor versammeltem Rate wiederholte er die Beschuldigung des Eidbruchs, bestritt dem Rate das Recht unabhängigen Regimentes, kam mit allen Forderungen und Vorwürfen wegen Nichtachtung des bischöflichen Hofgerichts, Verletzung der geistlichen Freiheiten, Einführung neuer Steuern usw. Und wie zur Bekräftigung dieser Demonstration ließ er sodann öffentlich die Rede herumbieten, daß die Stadt ohne Mittel ihm gehöre und keinen Herrn habe als ihn.

Dies war erklärter Krieg. Wir werden dem Leidenschaftlichen und Gesteigerten dieser Vorgänge gerecht, wenn wir uns klar machen, was Alles sie umgab in diesen Tagen, da das Kriegsvolk für den Lothringer Zug in Basel zusammenströmte, die Gesandten aus- und einritten, die größten Hoffnungen und Befürchtungen Alle bewegten. Das stürmische Leben, das ringsum war, wirkt spürbar auch auf diesen Basler Hausstreit; wir sehen auch Einflüsse von allen Seiten, die Umtriebe der Domherren, die Einflüsterungen Heslers und Oswalds von Tierstein, die Mahnungen Ratschläge Zusprüche der Herren aus der Niedern Vereinigung und der Eidgenossenschaft; wir sehen auch den alten Zank der Orden und des Weltklerus sich an diesen Händeln neu entzünden. Von überall her getrieben aufgereizt beobachtet stehen die beiden Kämpfer sich entgegen.

Mit Sorgfalt und Umsicht bereitete der Rat seine Entgegnungen vor; auch verlangte er, daß der Bischof diese Antwort persönlich und am selben Orte vernehme, wo er die Ehre des Rates geschändet. Johann verweigerte dies. Zuletzt mußte er sich doch bequemen, und am 11. Februar 1477 haben wir im Ratssaale diese große Szene vor uns. Alles war versammelt, was hier Name Kraft Bedeutung hatte; die Gedanken über die letzten gewaltigen Weltereignisse, das Bewußtsein des Anteils, den jeder der Anwesenden an ihnen gehabt, begleiteten die Verhandlungen mit vibrierendem Leben.

Ausführlich ließ sich der Rat vernehmen, empfing die Gegenbemerkungen des Bischofs und erwiderte diese noch gleichen Tags, nach dem er sich über Mittag beraten hatte. Ein prächtiges Selbstgefühl waltet in jedem seiner Worte. Er gründet seine Unabhängigkeit weniger auf urkundliches Recht als auf das Herkommen und die Macht der Tatsachen. Nicht Kaiser und Bischof, ruft er aus, sondern wir selbst und unsre Vordern haben bis auf diesen Tag die Stadt Basel als eine Freistadt hergebracht, wie es auch mit Gottes Hilfe ferner geschehen soll.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/232&oldid=- (Version vom 1.8.2018)