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formell ausschließlichen Recht einer Gesamtheit bewegt worden ist und wird, so auch damals und hier. Nur daß dabei das persönliche Regiment nie den Sieg davon trug über das Kollegium, daß Tyrannis und Diktatur bei dieser Menschengattung undenkbar waren. Basel suchte sich auf andre Weise zu helfen: man griff zum Mittel einer durch schwere Eide und Strafen erzwungenen Heimlichkeit und beschränkte die Macht des eigentlichen Regierens auf einen kleinern Kreis von Männern.

Die Geheimhaltung von Beratungen und Beschlüssen war durchaus notwendig bei einer Behörde von solchem Umfange, die zudem unaufhörlich an Verteidigung ihrer Stadt und ihrer Rechte zu denken hatte und in ihren Reihen häufig Standesgenossen Lehnsleute Gläubiger von Feinden der Stadt zählte. Verständlich ist auch, daß nicht nur in politischen und militärischen Dingen Hehl geboten wurde, sondern auch in finanziellen; die Räte sollten ewiglich geheim halten, wie reich oder wie arm die Stadt sei. Aber was hier Vernunft war, wurde systematischer Unsinn, wenn der Rat das Geheimniswesen ins Extreme trieb und bei jeder Kleinigkeit das Hehl gebot. Schwere Strafen wurden auf dessen Bruch gesetzt; Keiner sollte das Votum des Andern ausbringen usw. Jene Verschwiegenheit und Geheimtuerei bildete sich aus, die der Florentiner Ugolini 1482 so verwunderlich fand, und jedenfalls nahm die übertriebene Häufigkeit des Hehlbietens diesem für Manchen den Ernst, so daß auch die Strafdrohungen nicht hemmten, wenn Leichtsinn oder Interesse zum Ausplaudern drängten.

Natürlich aber waren Geheimnisse besser durch Wenige zu hüten, als durch die große und so verschieden geartete Versammlung der vierzig oder gar achtzig Räte. Hiezu kam, daß Viele unter diesen zwar Regenten hießen, aber nicht waren, daß ihnen die Eignung zu manchem Ratsgeschäft und vor Allem zumeist der höhere politische Sinn fehlte. Beides wirkte dahin, daß der Gesamtheit des Rates nicht viel mehr blieb als eine formale und repräsentative Bedeutung, die Macht aber tatsächlich nicht durch sie ausgeübt wurde.

Der Rat hielt allerdings täglich Sitzung; doch wie es scheint nur zur ständigen Kontrollierung des Stadthaushalts, zur Annahme der unaufhörlich eingehenden Schreiben oder Gesandtschaften, der von Mitgliedern gestellten Anträge und Fragen, der zahllosen Begehren Einzelner, und dann zur Überweisung dieser Traktanden an Ausschüsse. Was daneben dem gesamten Rate blieb, waren Beschlüsse über wichtige Angelegenheiten und die Gesetzgebung; aber auch ihnen ging die Vorberatung in einer kleinern Behörde stets voraus.

Wir haben somit den Eindruck, daß der Rat nur in gewissen Fällen als Plenum arbeitete. Die Beratung und Ausführung der meisten laufenden

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/258&oldid=- (Version vom 5.7.2016)