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vorhanden und die jeweiligen Umstände maßgebend; zu Zeiten zwang den Rat dazu eine allgemeine Stimmung, zu Zeiten konnte ihm selbst die Berufung auf die Sechser dienlich sein. Aber wie der Rat hiebei frei war, so übte er seine Gewalt auch in den Großratssitzungen selbst, wo er bei Gelegenheit nur Mitteilungen machte, ohne eine Umfrage zu stellen, oder auch nach geschehener Diskussion noch eine Beschlußfassung verhinderte.


Das Gebiet der Stadtherrschaft zerlegt sich vor uns in einzelne Kreise.

Der Kern des Ganzen, die älteste Stadt, äußert sich nur noch in wenigen Spuren: in den Grenzen des Martinszins- und des Heuergeldbezirkes; in einigen Türmen Torbögen Mauerstücken; in den vier „Kreuzgassen“ des Kriminalprozesses, die an Wegscheiden vor der frühesten Stadt erinnern (Rheinbrücke, Fischmarkt, Kreuzung von Hutgasse und Schneidergasse, Einmündung von Münsterberg oder Bäumleingasse in die Freiestraße).

Klar und vollkommen sichtbar dagegen und mit bestimmter Wirkung bestand die Scheidung der Altstadt, der „rechten Stadt“, von den Vorstädten und von Kleinbasel.

Zwischen der Altstadt und den Vorstädten zog sich der innere Stadtgraben, Burggraben, mit Mauer und Toren. Die Anlage war ein Werk des XII. Jahrhunderts und für dieses gewiß eine mächtige Leistung. In den uns beschäftigenden Jahrhunderten aber scheint sie großenteils ein Bild idyllischer Friedlichkeit geboten zu haben. Die Mauern waren meist in den Besitz der angrenzenden Privaten gekommen und in Häuser eingebaut, der Graben auf lange Strecken an eben diese Anwänder vermietet, die hier in der windgeschützten warmen Tiefe Gärtchen anlegten, Reben und Fruchtspaliere an den Mauern zogen, auch kleine Gebäude errichteten. Die Zinse von diesen Parzellen, die sog. Grabenzinse, waren eine Einnahme der Stadt, die sie jährlich durch den Zinsmeister einzog, und aus den Akten hierüber werden uns manche dieser Bezirke völlig anschaulich: der Graben bei St. Peter, wo zahlreiche Abschnitte an die Herren der anstoßenden Ritter- und Patrizierhöfe verpachtet waren und allerhand Erker und Türmlein über dem grünen Gelände aufstiegen; der Graben bei Kunos Tor, wo mehrere Münsterkapläne und als Besitzer des Hauses zum Pantier Heinrich von Beinheim, dann Claus Meyer Stücke nützten, sowie der städtische Büchsenmeister eine Werkstatt stehen hatte. Im Graben zu St. Leonhard war eine Zeitlang der Schießstand der Büchsenschützen, beim Eselturm der Tuchrahmen der Schlüsselzunft. Das Bild wird für uns vollständig, wenn wir beachten, daß bei den Futtermauern und Brüstungen vielerorts Grabsteine von den alten Judenkirchhöfen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/274&oldid=- (Version vom 24.10.2016)