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Utengasse; nach 1429 und vor 1444 erwarb sie ein neues Haus an der Burgergasse, von dem sie seitdem den Namen zum Greifen führte.

Während jede der Großbasler Vorstadtgesellschaften in ihrem Bereiche das Organ für Wacht Polizei usw. war, hatte in Kleinbasel die einzelne Gesellschaft eine abgeschlossene Existenz nur für ihre internen Geschäfte; gegen außen wirksam waren stets die drei Gesellschaften insgesamt als Vertretung der Kleinbasler Gemeinde.

Das Sonderwesen dieser Gemeinde zeigt sich uns vielfach. Weil sie nicht nur topographischer Begriff, sondern ein Organismus für sich innerhalb des Staatsganzen war, delegierte sie ihren Schultheiß und einige Vertreter der Gesellschaften in den Großen Rat. Sie schwor jährlich, ihrem Schultheiß und den Gesellschaftsmeistern gehorsam zu sein von des Rates wegen. Sie hatte ihr Gericht sowie ihren Stock und Galgen. Den jährlichen Eid am Schwörtag leisteten die Kleinbasler nicht mit der übrigen Bürgerschaft auf den Zünften, sondern abgesondert und an dem für sie reservierten Tage zu St. Nicolaus. Ihnen galten die Zünfte nur als gewerbliche Verbände; für alles Übrige, die allnächtliche Scharwacht, das Kriegsaufgebot, die Einteilung im Heere, die Steueranlage waren sie auf ihren Gesellschaften zu suchen, deren die Großbasler Vorstadtgesellschaften weit überragende Bedeutung hiebei erhellt. Bis ins Einzelne läßt sich dies separate Leben verfolgen, bis zu den offiziellen Kleinbasler Mahlzeiten am Fronleichnamstag und am Schwörtag zur Hären, bis zu der Kondolenz die der Rat 1480 der von Hochwasser beschädigten mindern Stadt durch eine Gesandtschaft über den Rhein bezeugen ließ. Und so finden wir zuletzt auch Geschäfte, die durch Kleinbasel ganz allein, als reine Gemeindesache, ohne Zutun des Rates besorgt werden: kirchliche Angelegenheiten, Weidgangssachen, die Ernte von den Nußbäumen der Allmend, die jährliche Weinlese. In allen diesen Dingen ist die Kleinbasler Gemeinde tätig und autonom; ihre Vertreter dabei sind der Schultheiß und die Gesellschaftsmeister.

Die Wurzeln dieser Existenz reichen jedenfalls zurück bis zur Gründung der kleinen Stadt, und eine psychologische Betrachtung ist versucht, neben dem Sonderrecht auch eine Sonderart des Lebens und der Menschen selbst nachweisen zu wollen. Aber was ist hier Ursache und was Ergebnis? Schon in den Urkunden des XIII. Jahrhunderts trägt die Kleinbasler Gesellschaft ihre eigene Physiognomie, und daß sich dies auch politisch manifestierte, zeigt die Haltung der Kleinbasler z. B. beim Blochmonter Zug 1449, in den Unruhen der Reformationszeit, beim 1691er Wesen.

Das Zentrum des öffentlichen Lebens in Kleinbasel war die Straßenkreuzung bei der Brücke, wo das alte und das neue Rathaus, die Niklauskapelle,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/287&oldid=- (Version vom 24.10.2016)