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Die früheste Richtstätte war wohl auf dem Markte; sie wurde noch Jahrhunderte lang durch „die Steine“, „den heißen Stein“, neben dem Pranger bezeichnet, und in Festhalten dieser ursprünglichen Bestimmung und Auszeichnung des Ortes wurde er für Exekutionen politischer Verbrecher noch lange verwendet, während die übrigen Hinrichtungen vor der Stadt vollzogen wurden. Im XIII. Jahrhundert geschah dies auf dem Lisbüchel; hier stand der Galgen, der dann auf den Gellert verlegt wurde. Seit Beginn des XIV. Jahrhunderts war hier auf dem Gellert die Hauptrichtstätte für Hängen Enthaupten Rädern usw.; im XV. Jahrhundert finden wir neben ihr einen Platz vor dem Steinentor gebraucht; auf diesem wurden 1474 die Lombarden verbrannt, 1496 Heinrich Rieher enthauptet.

Nach den Vielen, die mit dem Verbrecher während der Prozedur zu tun bekamen — den Stadtknechten und Wachtmeistern, dem Folterer, den Inquirenten, den Anklägern, den Urteilern, dem Vogt Schultheis; Freiamtmann Beichtvater „Brüderlein“ —, war der Letzte, dem er in die Hände fiel, der Nachrichter.

Dieser Beamte hat eine durchaus ungewöhnliche Stellung. Er gilt als ehrlos und durch sein Gewerbe, das auch die Besorgung krepierter Tiere umfaßt, beschimpft; aber auch als schwer sündig. Will er sein Amt niederlegen, so muß er sich bekehren und öffentlich Buße tun für sein Handeln. Er wohnt abseits, auf dem Kohlenberge, bei dem Gesindel. Seine Person und seine Ehre gelten auch dem Rate Nichts, dem er doch dient; er wird nicht von diesem gewählt, hat keinerlei Berührung mit ihm, steht ausschließlich unter dem obersten Ratsknecht, dem ja auch die Hurenwirte, die Totengräber und im XV. Jahrhundert die Juden unterstehen; dieser ernennt ihn, entläßt ihn, beerbt ihn, leiht ihn aus der Stadt, Andern zu dienen. Bei alledem ist er nie und nirgends entbehrlich; auch wenn die Stadt unter ihrem Banner ins Feld rückt, muß der Henker mitziehen, damit Übel und Ungehorsam sofort gestraft werden können; ebenso bei großen Kirchweihbesuchen. Wie wichtig dieser Mann ist, zeigt sich auch darin, daß ihn die Nachbarn Basels gelegentlich brauchen, wenn sie selbst ohne Henker sind; sie lassen ihre Delinquenten in Basel abtun oder den Basler Nachrichter zu ihnen kommen. Als Besoldung hat der Nachrichter einen Wochenlohn, Außerdem für jede einzelne Verrichtung Bezahlung nach Tarif.

„Auf Gnade des Rates“ wurde zuweilen die Verbannung ausgesprochen, d. h. ihre Dauer stand im Belieben der Behörde. Wir sehen aber den Rat sein Gnadenrecht auch sonst üben, wirksam in den Fällen todeswürdigen

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/362&oldid=- (Version vom 10.11.2016)