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Verbrechens, am eindrücklichsten da, wo der Strafvollzug gar nicht gelingt, Gott also ersichtlichermaßen den Tod des Sünders nicht will, sondern der Gehenkte lebend vom Strick, die Ertränkte lebend aus dem Rheine kommt; da wird Gnade geübt und das Leben gelassen. Im Übrigen begnadigte der Rat: wegen zarter Jugend; wegen Schwangerschaft; 1418 um der herrschenden Pestilenz willen; am häufigsten aber auf Gnadenbitten hin. Auf Fürbitte von Fürsten, von Verwandten und Freunden, „auf Fürbitte Vieler“. Als besonders schön erscheint die Fürbitte einer hohen Frau; so rettete 1483 die Markgräfin von Baden einen Jüngling, „der in Basel auf dem Wege zum Galgen war“, und als vor Ostern 1471 der Gerber Konrad Hennentaler wegen Diebstahls verurteilt und im Rathaushofe schon dem Nachrichter übergeben war, bat für ihn Frau Anna von Baldeck geborne von Thengen „umb diser heiligen zit, ouch siner jugend willen“, worauf ihm Gnade ward. Doch brachte die Gnade nicht völligen Strafnachlaß, sondern Strafumwandlung Straflinderung. Die an Stelle von Hinrichtung tretende Strafe bestand etwa in Haft, in Absprechung der Wehr, in Ausstellung am Pranger, meist aber in Verweisung; den Verurteilten, dem man das Leben geschenkt, wollte man hier nicht dulden, sondern schickte ihn fort, ins Elend. Die Verweisungsstrafe aber sehen wir etwa in eine Vermögensstrafe umwandeln; oder die Verweisung soll aufgehoben werden, wenn der Verbannte „etwas ernstlichs uf unser vigend geschaffet“ haben wird; am häufigsten sind die Fälle, daß Exilierte sowie Geächtete im Gefolge und unter dem Schutze des Kaisers, eines Fürsten, eines Kardinals usw., der feierlichen Besuch in Basel macht, mit hereinkommen und auf seine Verwendung vom Rate begnadigt werden.


Kleinbasel zeigt auch bei der Kriminaljustiz die Einrichtungen der Hauptstadt in verkürztem Maßstabe.

Die hohe Gerichtsbarkeit war hier zu Beginn Sache des Bischofs; von ihrer tatsächlichen Ausübung ist bestimmt die Rede, und 1360 verständigten sich die Räte der beiden Städte über Gegenseitigkeit des Verfahrens beim Richten über Totschlag und Wunden. 1392 geschah dann die Vereinigung. Aber sie hinderte auch hier nicht das Weiterdauern gesonderten Wesens.

Kleinbasel hatte sein eigenes Strafgericht, und seine eigenen Unzüchter, als eigenes Gefängnis den „Käfig“ im Richthaus, als eigene Richtstätte den Galgen auf dem Feld neben der Riehenstraße. Großbaslerisch war nur der Henker; wie dieser in der Landschaft die Urteile der Landgerichte vollzog, so hier die Kleinbasler Urteile.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/363&oldid=- (Version vom 10.11.2016)