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und wir vernehmen von zahlreichen Produkten dieser Gattung, von den nur beiläufig uns bekannt werdenden, mit dem erregten Moment, der sie geschaffen, wieder vergehenden Epigrammen oder Gesängen bis zu den großen Kampf- und Triumphdichtungen des Sempacher- und des Dornacherliedes.


Nur unvollkommen, aus weiter Ferne her und durch Zwischenliegendes tausendfach gebrochen und geschwächt erreicht uns dieser Lärm. Er ist Genosse und Ergebnis einer erstaunlichen Kraft Sorglosigkeit Wildheit, der gegenüber all die Strenge der Behörde doch nur als etwas Unzulängliches erscheint. Die Leistungsbücher z. B, zeigen uns ein Jahrhundert lang eine nicht endende Menge von Gewalttaten aller Art: Verwundungen, wüste Worte, Totschläge, Aufbrechen von Häusern, mit Schwertern in und durch die Haustüren Stechen, ein Geläufe und Gereiße; und sie zeigen nur die stärksten Vorfälle aus der Masse. Daß dies gewaltsame Treiben alltäglich war, im öffentlichen Leben seine feste Stelle einnahm wie etwas Unvermeidliches, bestimmte Geist und Haltung der Friedenspolizei; sie konnte nicht an Beseitigen denken, nur an den Versuch, Schranken zu setzen. Wie die Arbeit, die Andacht, Unglück und Krankheit stets auf der Gasse zu sehen waren, so ergingen sich Lust Ungebühr Haß draußen, vor Aller Augen, in den breitesten Formen und ohne Scheu noch Rücksicht.

Immerhin ist im Verhalten des Staates zu diesen Dingen seit den Jahren des Konzils eine Änderung wahrzunehmen. Die strengeren Vorschriften, die in dieser Zeit zum ersten Mal aufgestellt wurden, trafen den weitesten Bereich von Lebensweise und Vergnügen des Volkes. Deutlich drängte das Konzil zu einer umfassenden Regelung der öffentlichen Sitte. In den Schriftstücken, mit denen es seine Forderungen stellte, ist nicht allein von Huren Kupplern Ehebrechern die Rede; auch Spiel, Tanz, Kauf und Verkauf an Feiertagen, Wirten zur Zeit der Messe, Waffentragen, unanständige Kleidung, Kinderzucht werden behandelt. Zu diesen Begehren der Kirche trat, was die Stadt dem vielgestaltigen und ungeberdigen Wesen dieser Masseneinquartierung gegenüber von sich aus anordnen mußte. Und von diesem ganzen Komplex momentaner Forderungen und Einrichtungen fand dann das Meiste, durch eine allgemeine Entwicklung getragen, nach und nach Eingang in die städtische Gesetzgebung. Der eigentümliche Reiz beim Betrachten dieser zahllosen Ratserlasse und Verbote ruht dann darin, daß der Schärfung der Polizei, der Ausbildung eines empfindlicheren Gefühls für Ordnung und Sitte eine außerordentliche Zunahme von Lebenslust Unbotmäßigkeit Leidenschaft antwortet.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/366&oldid=- (Version vom 10.11.2016)