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allgemeinen Gleichartigkeit im Sinne des öffentlichen Rechtes, dem Lande gegenüber, wo jedes Dorf ein Komplex verschiedener Herrschaften sein, der eine Bauer diesem, der andere jenem Berechtigten zustehen kann und auch im Ganzen noch kaum ein geschlossener Territorialbegriff waltet.

Aber treten wir näher, überschreiten wir die Stadtgrenze, so zersplittert sich uns sofort diese Masse in alle möglichen Gruppierungen örtlicher sozialer wirtschaftlicher rechtlicher Art.


Wir betrachten zunächst die rechtliche Gliederung.

Der Begriff des Bürgers, das Bürgerrecht, ruht nicht mehr auf einem Stande. Seit den Tagen Heinrichs von Neuenburg und Rudolfs von Habsburg lebt in Basel das moderne Bürgerrecht als das Recht aller Derjenigen, die sich Glieder der Gemeinde fühlen dürfen.

Eine einheitliche Bürgerschaft, ein umfassendes Bürgertum bildet sich. Das städtische Wesen tritt bewußt und begehrlich hervor, und unter dem Impulse dieses regeren öffentlichen Lebens wächst das Leben des Einzelnen, bestimmt sich der Wert des Einzelnen für das Ganze und des Ganzen für ihn, entstehen gemeinsame Interessen, gemeinsame Rechte und Pflichten für eine Bürgerschaft, die unendlich größer und gestaltenreicher ist als die Gesellschaft der alten Burger.

Diese verschwinden keineswegs. Sie bestehen weiter. Aber nicht mehr als die allein Berechtigten, sondern als der Kern der neuen Bürgerschaft. Und von allen Seiten regt es sich heran. Zu dieser Bürgerschaft strebt der Altangesessene, der bis dahin außerhalb des Kommunallebens stand; aus dem Kreis seiner Gasse und Nachbarschaft, seines Gewerbes, seiner Zunft tritt er ein in das größere Ganze der Gemeinde. Neben ihm der Ansiedler, der erst vor Kurzem hereingekommen ist und nun, da ihm dies sichere Wohnen allein nicht mehr genügt, ein verpflichteter aber auch berechtigter Genosse des Gemeinwesens werden will. Der Bewohner des Landes sodann, der von klein auf gelernt hat, diese Stadt als die große Burg und Zuflucht der ganzen Umgegend zu erkennen, in ihr Ordnung und Behagen, alle Erquickung, die lohnende Arbeit, den Schutz, die Freiheit, überhaupt die Zukunft zu suchen. Die Stadt selbst ruft ihn, die mit allen Mitteln sich stärken will. Aber es ist unmöglich zu sagen, wer bei dem Allem mehr verlangte, wer mehr gewann. Indem Basel dieses Bürgerrecht schuf, öffnete es sich einem nie versiegenden, stets frischen Zuströmen willkommensten Lebens. Der sein Bürger wurde, trat mit einem Schritt in den Mitbesitz eines gar nicht zu übersehenden Erbes von Recht Tradition Freiheit Ehre Macht.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/374&oldid=- (Version vom 10.11.2016)