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schwarze Leute, mit silbernen Ringlein in den Ohren; sie behaupten, in der Leute Hände lesen zu können, und stehlen das Geld aus dem Seckel.“ Die Brot- und Weinspenden, die der Rat ihnen reicht, erscheinen wie ein Loskauf von dieser Plage. Aber sie kehren immer wieder, werden immer wieder mit Ratsalmosen abgefunden, bis in den 1470er Jahren dies scheue Dulden ersetzt wird durch Verfolgung und Austreibung. An Beschlüsse der eidgenössischen Tagsatzung 1471, daß Niemand in ihren Gebieten die Zigeuner hausen noch hofen solle, schließen sich ähnliche Maßregeln Basels. Jetzt hören wir von Zigeunerjagden in der Landschaft. Zigeunern, die man aufgreift, werden mit glühenden Eisen Baselstäbe durch die Backen gebrannt; ein späterer Beschluß, 1510, droht ihnen an, daß man sie mit Ruten aushauen und, wenn sie wieder kommen, ins Wasser schießen werde.

Aber diese unheimliche Erscheinung der schwarzen Heiden, bald da bald dort, vereinzelt, auftauchend und wieder verschwindend, war doch nur Nebensache und gleichsam exotisches Wunderstück neben der dauernden allgemeinen Last des eingebornen Landstreichertums. Wir können uns diese Last nicht schwer genug denken. Die Gesellschafts-, Rechts- und Herrschaftsverhältnisse, die politischen Vorgänge, der Mangel an Polizei und Armenpflege ließen zusammen einen Zustand furchtbarster Verwahrlosung und Roheit entstehen, zugleich aber auch ein Übermaß von Unglück, das die Menge der von Schilderern des Vagantentums genannten Verbrechen zwar nicht rechtfertigt aber erklärt.

Wie wenig verlautet doch in älterer Zeit, außer der Kohlenbergordnung von Beschäftigung der Behörden mit diesem Übel. Höchstens die Landfriedensbünde mögen dem Einschreiten nicht nur gegen Raubritter, sondern auch gegen die Gauner und ihre Banden gegolten haben. Einer ähnlichen Verständigung jedenfalls diente die Auskunft über „der gileren ufsätz damitte sy der welte ir gelt abertriegent“, die 1410 von Straßburg an Basel, von diesem an Bern mitgeteilt wurde, und auf welcher der berühmte Basler Erlaß über diese Betrügereien und die Geheimsprache der Vaganten beruht.


Neben den rechtlichen Gliederungen der Einwohnerschaft lebten ständische gesellschaftliche. Sie kreuzten sich mit ihnen; in der Hohen Stube wie in den Zünften finden wir sowohl Bürger als Hintersassen.

Der Eintritt Zünftischer in den Rat 1337 erledigte endgültig den ein halbes Jahrhundert früher angehobenen Prozeß der Einführung bürgerlicher Gleichheit. Von jetzt an bestand durchweg, auch im höchsten Rechte, der Ratsfähigkeit, Gleichheit Aller. Es gab keine Geschlechterherrschaft mehr.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/400&oldid=- (Version vom 10.11.2016)