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Die Stände von ehedem wurden freilich durch diesen Vorgang nicht ausgeglichen. Sie gewannen vielmehr ein noch stärkeres Bewußtsein des sie Trennenden und konnten zu Parteien werden, die innerhalb derselben politischen Einheit stehend sich bekämpften. Nach wie vor wirkten sie mit aller Macht auf das tägliche Dasein. Aber im öffentlichen Leben des Gemeinwesens war ihre Aufgabe nur noch, für die Ausübung des Allen gemeinsamen Rechtes, die Erfüllung der Allen gemeinsamen Pflicht die Formen darzubieten.

Dies waren die beiden großen Gruppen der Hohen Stube und der Zünfte. In ihnen hatte der Staat seine Angehörigen zu suchen und zu fassen.

Nur von dieser öffentlich rechtlichen Bedeutung der Stände ist hier die Rede.


Ritter und Burger, durch Gleichheit der Rechte und Verwandtschaft der sozialen Stellung vereinigt, waren im XIII. Jahrhundert die Führer der Stadt. Ihre Zusammengehörigkeit zeigte sich in der Hohen Stube, die als rein gesellige Organisation vielleicht schon von früher her bestand, in der Zeit der Verfassungsänderungen unter Heinrich von Neuenburg aber zum politischen Verbande wurde, um als solcher über zwei Jahrhunderte hinein Element im Leben des Gemeinwesens zu sein. Aber wir wissen wenig von diesem merkwürdigen Gebilde.

Die meisten Zünfte haben sich in ihren Akten und Büchern wortreich überliefert; das Schrifttum der Hohen Stube dagegen ist uns beim Aussterben oder Auswandern ihrer Genossen verloren gegangen. Dieser ganze Komplex, politisch sozial wirtschaftlich von so hoher Bedeutung, ist in Fragmenten überliefert, als Ganzes nur schattenhaft zu erkennen.

Zu Beginn bestanden wohl getrennt eine vorwiegend adlige und eine vorwiegend bürgerliche Stube, jene im Hause zur Mücke auf dem Burghügel bei den Adels- und Domherrnhöfen, diese im Hause zum Brunnen am Petersberg, beim Fischmarkt, im Kaufleutenquartier. Die Parteiungen von Psittich und Stern unter Heinrich von Neuenburg, dann unter Peter Reich, die ohne Zweifel über den Stiftsadel hinaus auch die ihm nahestehenden Kreise der Burger ergriffen, scheinen diese erste einfache Stubenorganisation gestört und eine Gruppe von Dissidenten, aus Rittern und Burgern gemischt, zur Bildung einer dritten Stube geführt zu haben. Dies war die Stube zum Seufzen, oberhalb des Fischmarkts am Birsig bei der Neuen Brücke gelegen. Sie blieb bestehen, auch nachdem Friede geworden war, und hieß den unter dem Namen der Obern Stube zusammengefaßten Stuben zur Mücke und zum Brunnen gegenüber die Niedere Stube.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/401&oldid=- (Version vom 10.11.2016)