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der Bestand. Durch Fortgehen und Herzukommen wird das Ganze beständig in Bewegung erhalten; und zwar handelt es sich bei diesem Zuströmen, dem Aufsuchen dieses Kreises von Vornehmheit selten um Einwanderung von außen, sondern fast stets um ein Heraufsteigen aus den Zünften, über denen die Hohe Stube sich hält als der Inbegriff der Auserwählten. Dieser nie ruhende Wechsel gibt dem Bilde der Hohen Stube etwas eigentümlich Schillerndes; aber ihre Bedeutung ruht doch auf ihm. Nicht nur hineingeboren wird der Stubenherr in seine Rechte und Ehren, sondern Ehrgeiz Wille Tüchtigkeit können ihn hineintragen, und die mächtigsten förderlichsten Vertreter des Standes sind vielleicht gerade solche Ankömmlinge.

Die Hohe Stube durfte sich als die Elite der Stadt geben. Gegen außen war sie lange Zeit wesentlich durch den Adel repräsentiert, im Innern stets der Inbegriff Alles dessen, was vornehm war oder sein wollte. Eine bestimmte soziale Gruppe und als solche rechtlich anerkannt und wirksam, aber nicht ein Ausschuß der Bürgerschaft und das Bürgerrecht nicht die Voraussetzung ihrer Mitgliedschaft. Daher ging sie auch in ihrer Beteiligung am Rate, bei der allerdings nur Inhaber des Bürgerrechts in Frage kommen konnten, keineswegs auf; äußerlich nicht, indem sie jederzeit Genossen hatte, die nicht im Rate saßen; innerlich nicht, indem auch die Katastrophe, bei der sie die Sitze im Rate verlor, sie zwar schmerzlich traf, aber ihre Existenz selbst nicht aufhob. Daß die Hohe Stube im Rate saß, Wahl- und Gemeindekörper war, hatte bestimmten Wert für die wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Hohe Stube ermöglichte eine mannigfaltige Tätigkeit, die sich in keine Zunftkategorien fügen ließ, und gewährte gleichwohl die Vorteile der Zünftigkeit; sie verhalf Rentnern, Kommanditären von Handelsgesellschaften u. dgl., die nicht zünftig sein konnten oder mochten, dennoch zur Teilnahme am Stadtregiment.

Als Ratsgenossenschaft kam die Hohe Stube zuerst vor den Zünften. Aus ihr wurde regelmäßig der Bürgermeister, häufig auch der Oberstzunftmeister genommen. Im Rate hatte sie verfassungsmäßig das Recht auf vier Rittersitze und acht Burgersitze, die ausschließliche Besetzung der Unzüchter; im Kollegium der Kieser, im Siebneramt und im Dreizehneramt die Majorität; in allen Kollegien war sie vertreten; Wacht und Kriegsordnungen gaben ihr die wichtigsten Pflichten und selbst die Leitung.

Mit solchen Rechten ausgestattet nahm die Hohe Stube am Regimente teil, überall neben den Zünftischen, und von höchstem Interesse ist die Betrachtung des in diesem Gegensatz wirkenden Lebens, das hier wie dort niedergehalten glüht und nur im gleichen Eifer für die Stadt sich zum

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/403&oldid=- (Version vom 10.11.2016)