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Gemeinwesens gewesen wäre. Nicht nur wer gewerblich, auch wer politisch sich betätigen, in den städtischen Dingen mithandeln wollte, mußte zünftig sein. Hieraus erklärt sich, daß die namhafteste Mißachtung dieses Zunftprinzipes von Solchen ausging, denen das bürgerliche Wirken sowieso verschlossen war: von den Frauen und den Geistlichen. Frauen begegnen uns in überraschend großer Zahl als selbständige Steuerzahler, und neben vielgenannten Kapitalistinnen finden wir die Gewerbsfrauen, die entweder ein Gewerbe selbständig begründen und ausüben oder als Witwen das Geschäft ihres Mannes weiterführen. Es sind Kauffrauen und Krämerinnen, wie z. B. die bei der Beinheimer Nohme Geschädigten; ferner Käuflerinnen Kürschnerinnen Schindlerinnen Bäckerinnen Gufenmacherinnen Küblerinnen usw., vor Allem aber die Näherinnen Wirkerinnen Stickerinnen Spulerinnen Spinnerinnen Weberinnen; die Gestalt der letztern am Webstuhle zeigt uns Hans Holbein.

Viele dieser Gewerbsweiber sind bei den Zünften eingeteilt; aber die Mehrzahl bleibt solcher Organisation fern, so daß wir z. B. im Rotel der Steuerzahler von 1429 unter den Zünftigen 13 % Frauen finden, unter den Zunftlosen 66 %, und im Steuergesetz von 1385 werden als „lüte die nit zünfte hant“ im Einzelnen nur „beginen guttlerinnen und tuchelerinnen“ genannt. Auch an die Jüdinnen, die Geschäfte treiben, ist hiebei zu erinnern.

Den Frauen gegenüber wurde somit der Zunftzwang nicht strenge gehandhabt; man konnte diese Existenzen bei ihrer kleinen Arbeit, die kaum ein Gewerbe zu nennen oder nur Lohnwerk war, gewähren lassen. Bis Entwickelung und Wachstum auch hier einer Ordnung riefen. Die Tüchleinweberinnen d. h. die Weberinnen der Kopftücher für die Frauen vermehrten sich und dehnten ihre Arbeit aus, so daß die Weberzunft 1447 über Eingriff klagte und den Zunftzwang über diese Weiber begehrte. 1470 und 1484 wiederholte sich dies, und der Rat gab den Frauen ausdrücklich nur die Kopftücher und „umbwinderly“ frei; wollen sie anderes Leinentuch oder Halbtuch um Lohn weben, so müssen sie zünftig werden.

Ähnliches geschah bei den Schneidern. Auch diese wurden beim Rate vorstellig. Manche ehrbare fromme Frau habe sich schon bisher bei ihnen zünftig gemacht; aber daneben geschehe nun der Zunft großer Eintrag von „zufallenden frowen, die sich nidersetzen und neigen“. Sie verlangten die Stellung dieser Näherinnen unter Zunftzwang, damit sie mit ihnen dienen, wie sonst überall Brauch sei. Der Rat willfahrte und ordnete 1466 und 1470 die Stellung der Näherinnen in der Schneiderzunft; weitere Vorschriften gab dann die Zunft selbst. Diese „Neigerin“ waren Weißnäherinnen, die

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/438&oldid=- (Version vom 10.11.2016)