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Bei ihrer Betrachtung haben wir uns in einen Zustand hineinzudenken, da viele Bürger wenn nicht selbst Korn bauten, doch Korngefälle bezogen und ihr Brot sich aus dem Eigenen konnten bereiten lassen. Daher die zahlreichen Scheunen und Speicher Einzelner sowie allenthalben in den Häusern die Kornkästen.

Diese private Wirtschaft erscheint uns nur vereinzelt, zusammenhängend dagegen das öffentliche Getreidewesen. In ihm zeigt sich die unvergleichliche Bedeutung des Getreides als des ersten Nahrungsmittels; Alles, was sich hierauf bezieht, ist wichtig und aufregend; jede Teurung bringt Not und Schrecken. Das sind allgemeine und überall wiederkehrende Verhältnisse; was als eigenartig hier dazu tritt, ist, daß das Gebiet Basels selbst nur wenig Korn produziert und fast die ganze städtische Getreideversorgung von außen her geschehen muß. In nächster Nähe, im Sundgau, dehnen sich die glänzenden rauschenden Felder, aus denen die Nahrung Basels kommt. Aber es ist das Gebiet Österreichs und des Adels. Der durch die Trennung dieses Gebietes von Basel geschaffene Zustand, der wie ein Verhängnis die ganze Entwickelung unserer Stadt beherrscht, erweist seine Härte und Häßlichkeit am offensten hier bei der Getreideversorgung. Die Mühen und Streitigkeiten um den feilen Kauf, später um den Fruchtpaß, zeigen uns Basel in der Knechtschaft dieser Verhältnisse, die zuzeiten seine Politik unter Interessen wenn auch mächtiger doch niedrer Art beugen und im wahren Wortsinn zu einer Brotfrage machen.

Unter solchen Wirkungen stand der Basler Kornmarkt, im weitesten Sinne genommen. Daher die zu keiner Zeit ruhende Sorge für Sicherung und Erleichterung der Zufuhr sowohl der Gefälle als des zum Verkauf herkommenden Getreides, welchen Maßregeln in Zeiten von Kriegsgefahr, bei Stockung des normalen Verkehrs, jenes bemerkenswerte Verfahren zur Seite trat, daß Basel den Flüchtlingen und ihrem Gut Aufnahme bot; mit den Leuten kam all das Getreide herein, das sie vor dem Kriege zu bergen wünschten, und schuf in der Stadt einen über das nächste Bedürfnis hinaus reichenden Vorrat.

Entsprechend gestaltet war die Exportpolitik, in gewöhnlichen Verhältnissen als Erschwerung der Ausfuhr durch einen Zoll, zu Zeiten drohender oder herrschender Teurung aber — in denen auch aller Handel stillgestellt und der Kauf des Einzelnen für den Hausbedarf an ein gewisses Maß gebunden war — als Beschränkung der ausführbaren Mengen oder als gänzliches Ausfuhrverbot. Nur haben wir bei diesen Ausfuhrverboten nicht immer an Teurungsmaßregeln zu denken; sie konnten gelegentlich auch politische Kampfmittel sein.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/449&oldid=- (Version vom 10.11.2016)