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Es ist eine neu redigierte Urkunde; aber sie enthält zahlreiche Bestimmungen des bisherigen Handfesterechtes, meist in den alten Ausdrücken. Sachlich neu in ihr sind die Bestimmungen, daß Kieser aus den Zünften genommen werden können, wenn Ritter und Burger dafür nicht ausreichen, und daß die Stadt die Eidgenossen vorbehält. Die formell neue Bestimmung, die dem Bischof, nicht den Kiesern, die Wahl des Bürgermeisters auf Grund der durch den Rat geschehenen Vorwahl gibt, entspricht der bisherigen Übung. Vom Oberstzunftmeister und seiner Wahl durch den Bischof sagt auch diese neue Handfeste kein Wort. Das Ganze war ein Kompromiß, bei welchem der städtische Gewinn dem Rate groß genug schien, um die erste gemäß dieser Handfeste geschehende Ratserneuerung im Juni 1506 durch eine besondre Feier auszuzeichnen; er veranstaltete an diesem Tag ein kriegerisches Jugendfest.


Aber dieser Streit um die Handfeste war nichts Isoliertes. Seit den Anfängen des neuen Basel, seit dem Siege der Oppositionspartei in den 1490er Jahren, gab der große Gedanke einer Revision der ganzen Gesetzgebung den Behörden zu tun. Für diese Revisionsarbeit bestand die Spezialkommission der Neuner; seit 1497, durch allen Wechsel der Ratsbesatzung und durch die Jahrzehnte hindurch, ließ sie dieses Tractandum nicht aus der Hand. Es war die Zeit notwendiger Auseinandersetzung des modernen Denkens mit dem überkommenen auch im Bereiche der öffentlichen Zustände, die Zeit der Ablösung alter Formen durch neue.

Einzelne Wirkungen des umfassenden Vorganges sind uns schon bekannt geworden in den Debatten über die Besetzung der Domkanonikate, die Privilegien des Klerus, die Regierungsvorrechte der Patrizier, die Stellung der Hofsverwandten in der Einwohnerschaft. Ein einzelner Vorfall ist z. B. der Streit der Weinleutenzunft mit dem Bischof über die von ihm prätendierte Ungeldfreiheit seines Weinausschankes 1510. Im gleichen Jahre muß der Bischof dem Rate das Lehen der Sisgauer Landgrafschaft geben; kurz darauf hat er sich in Rom gegen Prätensionen des Rates zu wehren; er versucht ihm durch Verweigerung des Lehens Bettingen seine Macht zu zeigen; er erhebt sich gegen Mißachtung seiner Hoheitsrechte in Riehen.

Wie bei dem Allem der Bischof meist „um des Friedens willen“ nachgeben muß oder in wirkungslosen Beschwerden sich erregt und erschöpft, so ist es überhaupt die Periode allmählichen Erschlaffens bischöflicher Macht und Herrlichkeit. Welch schwache Stütze diese Herrschaft an Christoph hat, liegt klar vor Augen. Sein Domkapitel darf ihm die bittern Vorwürfe

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/113&oldid=- (Version vom 1.8.2018)